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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie auftrumpfen, wenn sie Oberwasser zu haben glaubte. Es mußte schon ein Mann wie Willis-Bums kommen, um sie zu bändigen.
    Am Nachmittag war es dann soweit. Hinter den Gardinen der Häuser an der Emil-Schurz-Straße reckte die neugierige Nachbarschaft die Hälse, als der große, schwarze Wagen Dr. Sassens bei Holtmanns vorfuhr. Es war also doch nicht gelogen (was die meisten der Nachbarn gehofft hatten) – der Chef stieg tatsächlich aus und wurde am Gartentor von Hans Holtmann empfangen. Elsi trug ein neues Kleid, sogar mit einem runden Ausschnitt. Beim Friseur war sie am Vormittag auch gewesen. Ihre braunen Haare waren in zierliche Locken gelegt. Sie sah proper und appetitlich aus, und Hans Holtmann blickte sie öfter verstohlen an. Verdammt, dachte er. Da ist man nun vierundzwanzig Jahre lang verheiratet und weiß gar nicht, was an der Alten immer noch dran ist. Direkt hübsch ist sie. Na ja, die Hände sind verarbeitet und rissig, da hilft auch keine Glyzerincreme mehr, wer von Kind an schwer ran muß, kann sich nicht maniküren. Aber das ist keine Schande, man sieht eben, daß Elsi eine gute Frau ist.
    Dr. Sassen kam allein, Sabine war zu Hause geblieben und saß am Bett Veronikas oder kümmerte sich um Oliver, der maulend auf dem Rücken liegen mußte und behauptete, er sei doch schon wieder ganz gesund. Prof. Wallburg hatte ihn gründlich untersucht und keinerlei innere Verletzungen festgestellt, sondern nur einen leichten Nervenschock, der noch Ruhe brauchte. Dr. Sassen verstand. Keine Fragen, kein erneutes Aufwühlen des ganzen Erlebnisses. Vielleicht erzählte Oliver eines Tages selbst davon. Das gleiche galt für Veronika. Sie fand sich am Morgen, als sie erwachte, umgeben von Blumen. Dr. Sassen begrüßte sie mit einem Kuß und sagte zu ihrer maßlosen Verwunderung: »Sobald du wieder auf den Beinen bist, fährst du mit Oliver zur Erholung, mein tapferer Liebling.«
    Er kennt die Wahrheit nicht, dachte sie und spürte ihr Herz wild schlagen. Oliver hat noch nichts gesagt … noch nicht. Eine kleine Galgenfrist bleibt mir, ein paar Tage vielleicht, in denen ich mich auf mein neues Leben einrichten kann.
    Dr. Sassen sah sich im Vorgarten des Holtmannschen Hauses um. Stachelbeer- und Johannisbeerbüsche, ein paar Pfingstrosenstauden, Tulpenrabatte, Osterglocken. Er sah zu den anderen Häusern hinüber und lächelte. Durch die Gardinen sah man schwach die dunklen Umrisse der Neugierigen.
    »Die platzen jetzt«, sagte Elsi zufrieden. »Und wie die platzen, Herr Direktor!«
    Dr. Sassen lachte und ging ins Haus. Barbara begrüßte ihn in einer weißen Schürze. Aus der Küche strömte der Duft von Bohnenkaffee und frisch gebackenem Apfelkuchen. Dr. Sassen hob schnuppernd die Nase.
    »Darf ich raten? Gedeckter Apfelkuchen –«
    »Genau. Den bäckt unsere Bärbel besonders gut.« Barbara wurde rot und verlegen und verschwand in der Küche.
    »Meine Mutter machte ihn auch immer.« Dr. Sassen setzte sich im Wohnzimmer auf das Sofa, genau auf den Brandfleck. Aber das konnte er nicht mehr sehen. Über die Sitzfläche war eine neue Wolldecke gebreitet. Der Tisch war bereits gedeckt mit Elsis ganzem Stolz, dem Geschirr mit dem blauen Zwiebelmuster.
    Dr. Sassen sah sich um. Erinnerungen stiegen in ihm auf, Bilder, die er längst vergessen glaubte. Das Haus der Großeltern in Hamm, ein Fachwerkhaus mit Backsteinzwischenmauerung. Das Wohnzimmer, die sogenannte ›gute Stube‹, war ein feierlicher, immer etwas dämmeriger Raum. Stühle, Sessel, das Sofa mit der hohen Rückenlehne, bezogen mit grünem Plüsch. An der einen Wand das geschnitzte Büffet mit den geschwungenen Türen und dem Glasaufsatz, in dem Opas Römer standen und Omas Meißener Porzellan. Und Omas ganzer Stolz: Eine Tänzerin, Spitze tanzend, umgeben von kleinen roten Porzellanrosen. In der Mitte des Zimmers stand ein Eichentisch, an der Wand, dem Büffet gegenüber, in einem dicken Rahmen das Bild Kaiser Wilhelms II. in der Uniform des Garde du Corps. Wie oft hatte er vor diesem Bild gestanden und auf den blinkenden Helm mit den Adlerschwingen gestarrt. Damals nannte man so etwas eine zufriedene, gute Bürgerlichkeit. Sie ist ausgestorben, heißt es heute. So etwas gibt es nicht mehr. Welch ein Irrtum! Hier fand er sie wieder –, den Tisch, die Stühle, das Sofa, das Zwiebelmustergedeck, statt Wilhelm II. an der Wand allerdings ein Buntdruck von einer wild bewegten Nordsee, eine große Kaffeekanne unter einem Kaffeewärmer, unter der Ausgußschnauze

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