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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Antibiotikasalbe darüber, als der Boden unter ihr bebte, nur eine Sekunde lang. Die Pinzetten klirrten in den Glasschalen, ein Zittern lief durch das ganze Gebäude … dann war es wieder vorbei. Verblüfft sah Dr. Born den Bergmann mit der Handquetschung an.
    »Was war denn das?« fragte sie. »Haben Sie das auch gemerkt?«
    »Ja.« Der Püttmann nickte und hielt seine Hand unbewegt ausgestreckt. »Das hat gewackelt. Die sprengen sicherlich irgendwo.«
    Sekunden später gellten die Sirenen auf. Es war nicht der lange Ton, den man ab und zu zur Erprobung anstellte, sondern der auf- und abschwingende Schrei nach Hilfe, das Geheul der Gefahr, der Schrei der Angst. Der Bergmann mit der Handquetschung fuhr vom Stuhl hoch. Entsetzen lag plötzlich in seinen Augen.
    »Verdammt!« schrie er. »Verdammt nochmal! Das war ein Wetter! Fräulein Doktor – das war ein Wetter –!«
    Die Sirene heulte noch immer. Über die Zechenstraße rannten Männer, zwei Werkstattwagen rasten hupend zum Hauptschacht.
    Die Tür des Krankenreviers wurde aufgestoßen. Ein Bergmann, kohlenschwarz, schwitzend, die Augen weit aufgerissen, fiel fast ins Zimmer.
    »Explosion im Schacht V!« brüllte er und taumelte über die Schwelle. »Der ganze … der ganze Wetterschacht ist zusammengefallen … Alles brennt! Alles – alles –!«
    Waltraud Born lief zum Fenster. Vor Entsetzen preßte sie die Faust gegen den Mund.
    Über dem Schacht V lag eine dunkle Rauchwolke. Die Seilscheibe stand still.
    Und noch immer heulte die Sirene. Ihr Ton klang bis nach Buschhausen hinein und ließ das Blut in den Adern erstarren.

11
    Das Entsetzen lief durch die Straßen, drang in die Häuser ein, ließ die Herzen fast stillstehen. Als die ersten Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene durch Buschhausen rasten, folgten ihnen rasch Menschenmassen und ergossen sich über das Zechengelände. Mit Autos, Motorrädern, auf dem Fahrrad, zu Fuß strömten die schichtfreien Bergleute nach Emma II. Ihnen schlossen sich die Frauen und Kinder an, Mütter und Väter der Bergleute, die Schicht gehabt hatten. Ihren Gesichtern sah man an, daß sie Gott und die Hölle anklagten. Die Angst verzerrte die Mienen.
    Explosion unter Tage.
    Schlagende Wetter.
    Die ganze 6. Sohle soll brennen.
    458 Mann sind eingeschlossen.
    Sie werden eingemauert –
    Das waren die ersten Wortfetzen, die von Mund zu Mund flogen und das Entsetzen vermehrten.
    Kurt Holtmann und Dr. Fritz Sassen waren im Betriebsbüro, noch bevor die Zechenleitung einen Entschluß fassen konnte. Das Ausmaß der Katastrophe war noch nicht zu erkennen. Man wußte nur, was der Fahrobersteiger und der 1. Reviersteiger ausgesagt hatten: Plötzlich hatte es einen unvorstellbaren Knall gegeben, eine Druckwelle hatte den Wetterschacht auseinandergerissen, die gesamte Wetterstation war auseinandergeflogen. Der ersten Druckwelle folgte ein dunkler Rauchpilz, brodelnd und heiß. Ein Vulkan brach aus.
    Im Betriebsführerbüro stellte man sofort die Zahl der Eingefahrenen fest. 714 Mann waren unter Tage, davon über 400 auf der 6. Sohle, wo die Abtäufung des neuen Kohleflözes vorangetrieben wurde.
    Aus dem Förderkorb, der nach der Explosion zum erstenmal wieder anfuhr, stiegen schwarze, von Grauen geschüttelte Kumpels, sanken auf dem Kachelboden zusammen und rangen nach Luft. Ein Steiger, mit weit aufgerissenen, dem Wahnsinn nahen Augen, schrie grell: »Da lebt keiner mehr! Die sind hin! Hin! Der ganze Berg brennt ja! Ich habe es geahnt! Ich habe es geahnt!«
    Wie immer bei Katastrophen war rasch auch die Polizei da und riegelte zusammen mit dem Werkschutz das Zechengelände vor Neugierigen ab. Die großen Tore schlossen sich. Sie öffneten sich nur noch für die heranheulenden Kranken- und Rettungswagen. Auch die Angehörigen wurden ausgesperrt. Als eine dunkle, zusammengeballte Masse standen sie draußen vor dem Haupttor und starrten stumm auf die Rauchwolke über dem Wetterschacht. Leid macht sprachlos, und so standen die Mütter und Frauen eng beieinander, hielten ihre Kinder fest und warteten mit leeren Augen auf die erste Nachricht, auf den ersten offiziellen Bericht der Zechenleitung.
    Es war nicht das erstemal in Buschhausen, daß stumme Frauen vor den geschlossenen Toren warteten. Im Jahre 1927 wurden sechsundzwanzig Bergleute durch schlagende Wetter getötet. 1931 waren es neunundvierzig, die bei lebendigem Leib auf der 4. Sohle verbrannten. Auch damals heulten die Sirenen, rasten die Krankenwagen der ganzen Umgebung herbei,

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