Die schöne Ballerina (German Edition)
Hemdbluse.
»Aber es ist erst ein Monat vergangen und kein halbes Jahr. Wir werden nächsten Sommer darüber reden«, erklärte Seth.
»Das ist einfach lächerlich.« Verärgert drehte sich Lindsay zu ihm um. Und das hätte sie besser nicht getan, denn sein direkter Anblick war wesentlich beeindruckender als sein Spiegelbild. Schnell versuchte sie ihren Fehler wieder gutzumachen und begann rastlos im Zimmer umherzulaufen.
»Wenn man dich hört, könnte man meinen, es ginge um nichts anderes als um eine vorübergehende Laune. Aber das ist es ganz und gar nicht. Ruth ist mit Leib und Seele Tänzerin, Seth, und daran wird sich in fünf Monaten nichts ändern.«
»Dann macht es erst recht nichts aus, ein bisschen länger zu warten.«
Bei dieser Logik schloss Lindsay verzweifelt die Augen. Aber sie unterdrückte ihren aufsteigenden Zorn, weil sie wusste, dass sie ruhig bleiben musste, wenn sie bei Seth etwas erreichen wollte.
»Es ist Zeitverschwendung«, gelang es ihr, sachlich zu antworten, »und in dieser Situation ist Zeitverschwendung eine Sünde. Ruth braucht mehr – so unendlich viel mehr, als ich ihr geben kann.«
»Zunächst einmal braucht sie Sicherheit.« Auch in Seths Stimme schwang beherrschter Ärger mit.
»Sie ist besonders begnadet. Warum kannst – warum willst du das nicht einsehen? Echtes Talent ist so selten, und es ist so etwas Schönes. Man muss eine solche Begabung hegen und pflegen. Sie muss in die richtigen Bahnen geleitet werden. Je mehr Zeit vergeht, umso schwieriger wird es sein.«
»Ich habe dir früher klar zu machen versucht, dass ich für Ruth verantwortlich bin.« Seine Stimme hatte nun einen scharfen Unterton. »Und jetzt gerade habe ich dir versichert, dass ich nicht gekommen bin, um mich über Ruth zu unterhalten. Nicht heute Abend.«
Lindsays Vernunft sagte ihr, es sei besser, einzulenken. Heute würde sie nichts bei ihm erreichen. Sie konnte nur hoffen, Seth zu einem späteren Zeitpunkt umzustimmen. Wenn ich etwas für Ruth tun will, dachte sie, muss ich mich in Geduld üben.
»Also gut.« Sie atmete tief ein und aus und fühlte, wie sie ruhiger wurde. »Warum bist du gekommen?«
Mit einem Schritt war er hinter ihr und hielt sie bei den Schultern, bevor sie etwas dagegen machen konnte.
»Du hast mich also vermisst?«, fragte er und ließ ihr Spiegelbild nicht aus den Augen.
»Ja, ich dachte, seltsam, dass man ihn nie sieht. In einer kleinen Stadt wie Cliffside begegnet man sich doch eigentlich dauernd.« Sie versuchte einen Schritt von ihm weg zu tun, aber sein Griff wurde nur noch fester.
»Ich habe an einem Projekt gearbeitet, an einem Krankenhaus, das in Neuseeland gebaut werden soll. Die Zeichnungen sind jetzt fast fertig.«
Das interessierte Lindsay so, dass sie vergaß, sich gegen ihn zu sträuben. »Wie aufregend muss es sein, ein Bauwerk zu schaffen, in dem später Leute leben und arbeiten, etwas, das uns überleben wird. Warum bist du Architekt geworden?«
»Bauen hat mich immer schon fasziniert.« Langsam begannen seine Finger ihren Rücken zu massieren, aber sie schien nur auf seine Antwort zu warten. »Ich fragte mich, warum in so unterschiedlicher Weise gebaut wurde und warum die Leute diesen oder jenen Stil bevorzugten. Ich nahm mir vor, Häuser zu bauen, die gleichzeitig funktionell und schön sind, und bemühe mich, das auch einzuhalten.«
Seine Daumen liebkosten ihren Nacken, dort, wo er in den Haaransatz überging, und ihr war, als hätte sie an dieser Stelle hunderttausend Nervenenden. »Ich habe nun mal eine Schwäche für alles Schöne.«
Während Lindsay ihn im Spiegel dabei beobachtete, begann er ihre ohnehin schon prickelnde Haut zu küssen.
Ein Zittern überlief ihren Körper. »Seth …«
»Warum bist du Tänzerin geworden?«
Mit der Frage unterbrach er ihren Protest. Er ließ ihr Spiegelbild nicht aus den Augen. So entging ihm keineswegs ihre Erregung.
»Es hat nie etwas anderes für mich gegeben.« Lindsays Stimme klang atemlos und ein wenig zittrig vor mühsam zurückgehaltener Leidenschaft. Es fiel ihr schwer, sich auf eine Antwort zu konzentrieren. »Solange ich zurückdenken kann, hat meine Mutter von nichts anderem geredet.«
»Dann bist du ihretwegen Tänzerin geworden?« Er griff in ihr Haar und löste das Band, mit dem Lindsay es vor dem Training zusammengebunden hatte.
»Nein. Manches im Leben ist Vorbestimmung. Das Schicksal hat es für mich so gewollt.«
Seine Hand fuhr ihr zärtlich über die Schläfe.
»Ich wäre
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