Die schöne Betrügerin
kenne dich.
Phillipa ballte die leeren Hände zu Fäusten. Er hätte ihr ohnehin nicht zugehört.
In diesem Moment kehrte Fisher zurück und brachte den Spionagechef mit. Dalton begrüßte zuerst James und dann sie mit absoluter Unbefangenheit, wobei Phillipa erneut dieses unheimliche Gefühl überkam, dass seine silbrigen Augen mehr sahen, als sie eigentlich wissen konnten. Sie ertappte sich dabei, wie sie verstohlen an ihrem Kleid zupfte, und fasste sich nonchalant mit der Hand ins Haar.
Alles in Ordnung, wenn auch ein wenig zerzaust. Sie war sich der Spuren bewusst, die James hinterlassen hatte; doch außer ihr schien niemand etwas zu bemerken.
Hoffte sie jedenfalls.
Fisher informierte Dalton über die Fortschritte, die er mit einem der Schriftstücke gemacht hatte, während James sich zur Tür bewegte. Dalton war jedoch nicht geneigt, James entkommen zu lassen.
»James, ich denke, das sollten Sie sich ansehen.«
James gesellte sich zu den Männern, und Phillipa bemerkte, dass er keinem der beiden direkt in die Augen sah. Anfangs war sie froh, dass die Männer ihr keine Aufmerksamkeit schenkten, doch dann sah sie, dass sich unter den fraglichen Unterlagen auch das Journal ihres Vaters befand. Sie ging hin und schaltete sich ein.
»Das Journal ist nicht codiert, Fisher«, informierte sie ihn. »Ich habe es genau studiert, konnte aber keine Muster entdecken, die auf eine Codierung schließen ließen.«
Fisher murmelte etwas vor sich hin, während er einen Stapel Unterlagen durchging. »Hier ist ein Muster, das sich wiederholt; aber ich war nicht in der Lage, den Code zu knacken.«
Er reichte Phillipa ein paar von den Schriftstücken. Oberflächlich betrachtet, schien es sich um diverse Briefe, Quittungen und Listen zu handeln. Doch Phillipa erkannte das Muster an der Wiederholung bestimmter Schlüsselbegriffe.
»Wo sind die her?«
»Ach, wir haben unsere Kundschafter und Kuriere praktisch -«
»Fisher!«, bellte James. »Reißen Sie sich zusammen!«
Dalton war höflicher, aber genauso bestimmt. »Es ist nicht notwendig, dass Miss Atwater die jeweiligen Quellen kennt, Fisher. Bitte beschränken Sie Ihre Beredsamkeit auf das, was sie wissen muss.«
Somit vertraute Lord Etheridge ihr und ihrem Vater also doch nicht ganz. Die Unruhe, die während der letzten Monate unterschwellig in ihr gegärt hatte, zerrte wieder an ihren Nerven. Wenn sie keinen Weg fand, Papas Unschuld zu beweisen, würden diese Männer ihn töten und es als Pflichterfüllung bezeichnen.
Fisher schluckte und errötete, dann machte er sich an seinen Unterlagen zu schaffen. James gestattete sich endlich, Phillipa direkt anzusehen. Sie schien gelassen, war aber blass und schaute den Spionagechef mit großen Augen an.
Dalton nickte erst Fisher zu und dann James. »Cunnington, wenn Sie Mr. Fisher freundlicherweise beim eigentlichen Thema halten würden, solange Miss Atwater zugegen ist, wüsste ich das zu schätzen. Teilen Sie mir sofort mit, falls sich neue Erkenntnisse ergeben.« Damit war er fort. James vermutete, dass er nicht der Einzige im Raum war, der erleichtert aufatmete, auch wenn er nicht wirklich erfreut war, an Phillipas Seite bleiben zu müssen.
Fisher räusperte sich, dann rieb er sich den früh kahl werdenden Schädel. »Es ist numerisch, ich
weiß,
dass es numerisch ist! Ich kann nur einfach kein Schema erkennen. Vermutlich handelt es sich bloß um einen simplen Übersetzungscode… simpel, insofern man den Schlüssel kennt.«
James verschränkte die Arme und lehnte eine Gesäßbacke an den Schreibtisch, während Fisher mit fast tragikomischen Augen zu Phillipa aufblickte. Komisch – wenn man nicht wusste, wie viele Männer schon gestorben waren und wie viele noch sterben würden, wenn Großbritannien nicht mehr über Napoleons Pläne in Erfahrung brachte.
Phillipa schlang ihre Arme fest um die Taille. »Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte, Fisher. Ich bin kein Profi, sondern nur eine Tochter, die Spaß an den Rätseln hatte, die ihr Vater ihr aufgegeben hat. Bis vor kurzem wusste ich noch nicht einmal von diesem Journal.«
James betrachtete ihr Gesicht und suchte nach jenen winzigen Zeichen, die eine Lüge verrieten. Ihr Gesichtsausdruck wirkte frustriert und müde, doch ohne jeden Trug.
Was allerdings auch heißen konnte, dass sie eine sehr gute Lügnerin war – ein Talent, mit dem er bereits persönlich Bekanntschaft gemacht hatte.
Fisher schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Aber es muss
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