Die schöne Betrügerin
ausstopfte! Es war nirgendwo jemand zu sehen. Nun gut, frühstücken konnte sie ja trotzdem. Wenigstens würde sie nun nicht jeden Moment auf ihr Verhalten achten müssen. Sie konnte essen, was sie wollte.
So viel
sie wollte.
Was für ein schöner Gedanke!
Phillipa marschierte hocherfreut los, um sich an den dampfenden Tabletts, die auf dem Sideboard standen, den Teller zu füllen. Eier! Sie hatte seit Wochen keine Eier mehr gesehen. Und Schinken, wunderbar salziger, schmackhafter Schinken. Sie lud sich gierig den Teller voll, wanderte von einem duftenden Gericht zum nächsten.
»Räucherhering!«, seufzte sie laut. »Wahrscheinlich bin ich schon tot, denn das kann es alles nur im Himmel geben.«
»Gütiger Gott, Phillip, es ist nur ein Frühstück.«
Phillipa fuhr herum, ihr Daumen geriet in den Saft des Schinkens, und der Teller glitt ihr aus der Hand, als habe sie ihn weggeworfen. All das wundervolle Essen ergoss sich über den Tisch und die Stühle, selbst an der Zimmerdecke schien etwas zu kleben.
James Cunnington stand neben dem Tisch und zupfte sich Rührei von der Hemdbrust. »Zumindest
war
es ein Frühstück.« Er sah sich bedauernd im Zimmer um. »Haben Sie mir noch etwas übrig gelassen, Phillip? Oder haben Sie alles an die Möbel verfüttert?«
Lieber Gott, der Raum war förmlich mit Essen gesprenkelt. Die elegante Einrichtung war vermutlich ruiniert. Der Stuck an der Zimmerdecke war es jedenfalls mit Sicherheit. Ganz zu schweigen davon, dass das feine Leinenhemd ihres Arbeitgebers mehr als den Rest ihres Lohns gekostet haben musste.
Phillipa konnte nur fassungslos dastehen und zuschauen, wie die letzte Chance, ihren Vater zurückzubekommen, zusammen mit den schmierigen Spritzern auf dem Mahagonitisch vertrocknete. Man würde sie, noch bevor sie von dem Räucherhering gekostet hatte, der tadelnd am Kronleuchter hing, aus dem Haus werfen. Sie konnte nicht atmen. Sie konnte nur zusehen, wie Mr. Cunnington den Tisch umrundete, die Hand hob – und einen Teller von dem Stapel im Tellerwärmer nahm. Er reichte ihn ihr und bog ihr mit beiden Händen sämtliche Finger um den Rand des Porzellans. »Sie halten ihn besser mit beiden Händen fest, Mr. Flip-den-Teller-hoch«, sagte er. Dann lächelte er. Phillipa wurde die Kehle trocken. Er warf sie nicht raus nach alldem? Er scherzte sogar darüber? Sie schaute sich noch einmal verstört im Zimmer um, aber das Chaos war wirklich so schlimm, wie sie gedacht hatte.
»Aber… ich…«
»Sie sollten Denny die nächsten paar Tage über aus dem Weg gehen. Er wird kein Wort sagen, aber er wird hüsteln, bis Sie dem Wahnsinn verfallen.«
»Denny?«
»Mein Kammerdiener, Butler, Haushälter und Kindermädchen. Sie erinnern sich doch an den Burschen in dem grasgrünen Affenanzug?« Er wandte sich ab, um sich selbst einen Teller aus dem Wärmer zu greifen. »Die Livree war nicht meine Idee. Meine Schwester wollte ein Apfelrot, aber ich habe meine Zustimmung versagt. Also hat sie hinter meinem Rücken Apfelgrün bestellt.« Er füllte seinen Teller und ging damit zum Tisch. »Ich hasse Äpfel.«
Diese sonderbare Feststellung irritierte Phillipa und riss sie aus ihrer Erstarrung. »Jeder mag Äpfel.« Gut, ihre Stimme zitterte nur ein klein bisschen. Sie legte ein paar Sachen auf den Teller, doch ihr war der Appetit vergangen. Dann nahm sie vorsichtig gegenüber von Mr. Cunnington Platz. Cunnington hatte zu einer Serviette gegriffen und den Tisch mit einem ausholenden, aber größtenteils nutzlosen Wischer gesäubert.
»Nicht jeder. Ich nicht.«
»Ich liebe Äpfel.« Sie schüttelte ihre Serviette aus. Es regnete Rührei. Phillipa schaute schnell weg. »Ich kann, offen gesagt, gar nicht genug bekommen.«
»Gut. Dann essen
Sie
alle auf.«
»Alle?«
»Die kompletten zwölftausend Scheffel. Rote, grüne, rotgrüne…« Er schüttelte sich. »Ich kann sie nicht ausstehen, nicht einen davon.«
»Sie haben zwölftausend Scheffel Äpfel? Wozu?«
Er seufzte. »Weil meine Schwester uns unbedingt zum größten Apfelbauer in Lancashire machen musste und ich nicht zugegen war, um ihr zu sagen, dass sie nicht endlos Obstplantagen anpflanzen soll.« Er legte die Gabel zur Seite, als würde er nichts mehr hinunterbringen. »Wir stehen kurz vor der Ernte, der ganze Landsitz stinkt nach Äpfeln. Bald wird es, so weit das Auge reicht, Apfelsauce, Apfelwein und Apfelkuchen geben – weshalb wir auch in London sind und nicht in Lancashire.«
Er besaß also Land und war
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