Die schöne Betrügerin
zweifelsohne vermögend. Hatte er einen Teil seines Besitzes durch Hochverrat erworben? »Wir?«
»Robbie und ich. Und jetzt natürlich auch Sie.«
Phillipa nahm ein bisschen von den Eiern und genoss sie mit Bedacht. Vielleicht war sie doch in der Lage, etwas zu essen. War es noch zu früh, ihrem Arbeitgeber neugierige Fragen zu stellen? Gestern hatte sie den Eindruck gewonnen, dass zu viel Fragerei ihm lästig war.
Andererseits war sie ja nun für Robbies Erziehung verantwortlich, und es passte zu dieser Rolle, Informationen einzuholen. Sie räusperte sich also und versuchte, ihre Stimme ein wenig tiefer zu stellen. »Wenn ich fragen darf, wo ist Robbies Mutter?«
Mr. Cunnington zuckte die Achseln und schob sich eine Gabel voll Schinken in den Mund. »Weiß ich nicht«, sagte er, nachdem er geschluckt hatte. Er stach begeistert in die Eier. Sein rechteckiger Kiefer arbeitete rasch, und sein muskulöser brauner Hals zog sich zusammen, was Phillipas Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenkte, dass sein ruiniertes Hemd halb offen stand und sie ein wenig von seiner drahtigen braunen Brustbehaarung erspähen konnte.
Oh, ja, sie konnte sich an diese Brust erinnern…
Phillipa sah weg, zwang sich aber, wieder hinzuschauen. Vielleicht benahmen sich Männer so, sobald keine Dame da war, die sie in Verlegenheit bringen konnten. Fasziniert von der Vorstellung fragte sie sich, was diese mysteriösen Kreaturen noch so taten, wenn keine Frauen zugegen waren.
»Er ist, soweit wir wissen, ein Waisenkind«, fuhr ihr Arbeitgeber fort. »Er sagt, er habe keine Eltern, und so schlecht wie man ihn behandelt hat, bevor er zu uns kam, zweifle ich nicht an seiner Geschichte. Und es hat ihn auch nie einer zurückhaben wollen.« Mr. Cunnington grinste wütend. »Nicht, dass ihnen das gelungen wäre. Robbie hat jetzt Freunde.«
Phillipa blinzelte, sagte aber nichts. Dieser Mann hatte etwas Sonderbares an sich mit seinem gewinnenden Äußeren und diesem stählernen, inneren Leuchten. »Wissen Sie sein genaues Alter?«
Cunnington schüttelte den Kopf, kaute und schluckte. »Nicht einmal Robbie weiß es. Manchmal behauptet er, zwölf zu sein, aber ich glaube, er ist eher um die neun. Es lässt sich schwer sagen. Er kann ein gerissener kleiner Gauner sein, ein richtiges Straßenkind eben. Und plötzlich wirkt er so verloren…«
Seine Stimme verklang, er zuckte die Achseln und räusperte sich, als seien ihm seine eigenen Worte unangenehm.
Er warf die Serviette neben den leeren Teller und erhob sich. »Essen Sie auf, Sir Flip. Sie werden heute Kraft brauchen, denke ich.« Er zögerte. »Nur bitte… bitte erwarten Sie für den Anfang nicht zu viel von Robbie, ja? Der arme kleine Kerl hat schlimme Zeiten hinter sich.«
Phillipa nickte ihrem Arbeitgeber nur zu und schluckte, als Cunnington sich abwandte. Sie machte den Mund auf, um ihn ihrer Geduld zu versichern – und vergaß, ihn wieder zuzuklappen. Ohne den Gehrock zeichnete sich Cunningtons markante Statur unter dem weichen Hemd und der eleganten Hose ab. Und meine Güte, was für eine eng anliegende Hose!
Sein Hinterteil befand sich direkt auf Phillipas Augenhöhe. Es war muskulös und wohlgeformt und ließ, als er zur Tür ging, ein höchst faszinierendes Muskelspiel sehen. Welch ein gut gebautes Mannsbild er doch war!
Er drehte sich um. Phillipa riss sich von dem Anblick los, bevor sie die Vorderseite seiner Hosen noch aus dem gleichen Blickwinkel anstarrte. Aber die Reaktion kam offenbar zu spät, denn Mr. Cunnington sah sie einen Moment lang sonderbar an, dann schüttelte er den Kopf. »Falls Sie etwas für das Schulzimmer anschaffen müssen, geben Sie mir einfach die Rechnung.«
Mit diesen Worten war er fort, zum Glück bevor Phillipas Röte voll entflammt war. Als die Tür zufiel, legte sie sich die Handflächen ans Gesicht, um das Blut in ihren Wangen zu prüfen. Es war eine Last, ein Rotgesicht zu sein.
Ihr kam der Verdacht, dass der lebenslange Fluch des schnellen Errötens auf eine harte Probe gestellt werden würde. Hier zu leben, hätte jeder Frau die Röte ins Gesicht getrieben. Sie spürte, wie ihre Wangen sich langsam abkühlen. Gut.
Wenn sie jetzt noch die abschweifenden Blicke unter Kontrolle bekam…
5. Kapitel
Nach zwei Mahlzeiten aus Cunningtons Küche war Phillipa bereit, die ganze Welt zu unterrichten. Leider war das Schulzimmer nicht halb so gut in Form wie sie.
In Wahrheit war der Raum kaum mehr als ein altes Kinderzimmer mit Bücherregalen. Die einzigen
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