Die schöne Betrügerin
Kurt hofft immer noch, dass er ihn mir ganz abspenstig machen kann, aber Robbie ist ein Junge, der sich gerne alle Optionen offen hält.«
Phillipa verstand gar nichts. Doch sie war so erleichtert, dass es sie nicht kümmerte. Ein letztes Blatt Papier flatterte ihr vor die Füße. Sie bückte sich nach den Paketen und bekam einen schallenden Klaps auf den Hosenboden.
»Au!« Sie schoss hoch und sah den Angreifer finster an.
James verdrehte die Augen. »Kreischen Sie nicht gleich wie ein Mädchen, Flip. Ihr Hintern ist schmutzig.«
»Oh, richtig.« Ihr Hintern stand in Flammen, so war das. Was für große Hände er hatte! Das Prickeln, das sie verspürte, lag natürlich einzig allein an dem Schlag. Wo sollte es sonst herkommen?
James half ihr, den Rest der Schulsachen in einem unordentlichen Wust in die Arme zu häufen. Natürlich bietet er mir nicht an, die Sachen zu tragen, grummelte sie vor sich hin, während sie ihm folgte. Warum auch? Sie war schließlich nur dann ein Mädchen, wenn sie auf einen Klaps reagierte.
Sie folgte James zu der dezenten Doppeltür in der gotischen Fassade. »Das ist der Club, in den sich unser Schlawiner geflüchtet hat.« Er nickte dem stämmigen Türsteher zu und trat ein.
Sie folgte ihm und versuchte, sich nicht durch ihre großen neugierigen Augen zu verraten. Frauen hatten zu den heiligen Hallen derartiger Männerrefugien keinen Zugang!
Sie war ein wenig enttäuscht, dass es hier auch nicht anders aussah als in einem aufgeputzten Billardsalon. An einem Ende des Raums befand sich eine kleine Bühne, doch die Vorhänge waren zugezogen.
Es waren noch keine Gäste da, aber ein paar Burschen schlichen durch den Saal und richteten ihn für den Abend her. Von der Schwingtür an der rückwärtigen Wand wehte ein dekadenter, wundersamer Duft herüber. Phillipas Magen reagierte hörbar.
»Entschuldigung.« Sie zog eine Grimasse. »Wir haben den Tee versäumt.«
»Natürlich, Sie haben Hunger.« James lachte. »Sie sind ja selber noch im Wachstum.«
Sie starrte ihn erstaunt an. »Im Wachstum?«
Er hob die Hände, als wolle er ihren finsteren Blick abwehren. »Verzeihung, Verzeihung, mein Fehler. Sie sind ein Mann, durch und durch. Sie haben nur vergessen, Ihren Bartwuchs in das Geheimnis einzuweihen.«
Sie fasste sich mit der Hand an die Wange. Sie hatte nicht daran gedacht, dass selbst der am besten rasierte Mann zu dieser Tageszeit einen stoppeligen Schatten vorweisen konnte.
Er hielt sie für einen Jungen, der zu jung zum Rasieren war…
James gab ihr einen Klaps auf den Rücken. »Seien Sie nicht so empfindlich. Eines Tages werden Sie genauso behaart wie Kurt sein. Denken Sie an meine Worte.«
Als er sie einen Augenblick später Kurt vorstellte, hatte Phillipa Gelegenheit, sich über die Prognose Gedanken zu machen. Sie hatte ihr Leben lang niemanden gesehen, der so behaart wie Kurt gewesen wäre. Oder so riesig. Oder so Furcht einflößend.
Doch die Küche war warm und anheimelnd, von den Dachbalken hingen Kräuterranken, und in den großen Töpfen blubberten rätselhafte Köstlichkeiten. Sie erinnerte sich an die Zeit, als ihre Mutter noch gesund genug gewesen war, um ihrer Liebe zum Kochen zu frönen – glückliche Erinnerungen in der Tat. Und als der einschüchternde Kurt ihr einen Teller mit Rinderbraten und Lauch reichte und die Bratensoße fast über den Tellerrand schwappte, entschied Phillipa prompt, dass Kurt ihr der liebste Mensch auf Erden war.
Sie trug den Teller voller aromatischer Genüsse zu dem schweren Arbeitstisch, wo derzeit nur Robbie saß, einen fast leeren Teller vor sich. Sie schnippte mit den Fingerspitzen über seinen Scheitel und setzte sich neben ihn auf die Bank. »Hast mich zu Tode erschreckt, weißt du.«
Er zuckte entschuldigend die Achseln, gab aber keine Antwort, weil er einen fast schon lächerlich vollen Mund hatte. Er unternahm einen mannhaften Versuch zu schlucken und beugte sich vor. »Frauen sind hier nicht erlaubt, wissen Sie«, flüsterte er schließlich. »So steht’s in den Vorschriften.«
»So, natürlich. Und du hältst dich immer an die Vorschriften, nicht wahr?«
Er grinste. Sie sah ihn mit schräg geneigtem Kopf an. Er brauchte nicht zu wissen, wie sehr er sie manchmal amüsierte. Oder wie sehr er sie anstrengte. »Wenn du noch einmal wegläufst, lasse ich dich das Handarbeiten lernen.«
Seine Augen weiteten sich, doch er spielte den Tapferen. »Sie machen mir keine Angst. Schneider machen Handarbeiten. Und
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