Die schöne Betrügerin
auf. Sie warf sich lachend auf ihre Chaiselongue.
»Das kleine Dummerchen wird auf der Stelle diesem fetten Idioten Bericht erstatten, der sich euer Prinzregent schimpft. Was uns ein paar ungestörte Minuten beschert, falls du deine Frustration an meinem Körper auslassen möchtest.« Sie inspizierte ihre Fingernägel. »Ich habe jedenfalls nichts Besseres zu tun.«
James konnte sich nicht vorstellen, sie auch nur anzufassen. Wie konnte sie glauben, er hätte es gewollt? Doch Lavinia hätte die Situation nutzen können, um James in diesem Stück als den Schurken zu präsentieren, der – wie früher schon – in Lord Winchells ehelichen Gefilden wilderte. »Damit du ›Vergewaltigung‹ schreien kannst? Die arme irregeleitete Ehefrau, die jetzt der Rache des bösen Verführers ausgeliefert ist?«
Ein Anflug von Ärger huschte über Lavinias Gesicht, dann zuckte sie die Achseln. »Ich dachte einfach, du möchtest vielleicht noch einmal Liebe machen so wie früher.«
»Wir hatten Sex, Lavinia. Heißen, sündigen, schweißtreibenden Sex. Bis du mich hast entführen und foltern lassen. Nein, keinen Sex mehr. Tag für Tag unter Drogen gesetzt und geschlagen zu werden, darauf habe ich nun wirklich keine Lust mehr.«
Sie sah weg, als langweile sie sich. »Damit hatte ich nichts zu tun.«
Er lachte. »Natürlich nicht. Du bist nur zufällig einmal pro Woche vorbeigekommen, während ich gefesselt auf diesem stinkenden Schiff lag, und hast mir deine Liebe erklärt.«
»Du hast mich dort nicht gesehen.« Ihre Stimme war spöttisch und kalt. »Du hast selbst ausgesagt, dass du dich nicht erinnern kannst, mein Gesicht gesehen zu haben.«
In James’ Magen kämpfte die Wut gegen die Enttäuschung. Unter Drogen gesetzt hatte er den Großteil der Gefangenschaft unter Halluzinationen gelitten. Da waren sonderbare kleine Lichter gewesen und seltsame Geräusche und natürlich die regelmäßigen Besuche dieser Viper, die seiner ureigensten Hölle entstammte.
»Nein, ich kann mich nicht an dein Gesicht erinnern. Nur an deine Stimme, die immer wieder auf mich eingeredet hat, die Namen und Informationen von mir haben wollte. Deine Stimme und vielleicht ein winziger Blick in deine kalte, boshafte Seele.«
Sie schnaubte. »So spirituell, auf einmal, James? Wenn du gebettelt hast, dass ich es dir mit dem Mund mache, warst du du um einiges irdischer.«
Sie kam geschmeidig auf ihn zu. Die kühle Berechnung war aus ihrem Gesicht gewichen, eine Maske aus purer Lust hatte ihren Platz eingenommen. James spürte die Wucht ihrer Sexualität wie durch einen Panzer. Erinnerungen huschten durch seinen Kopf und zogen ihm den Magen zusammen. Als sie die Hand ausstreckte, um seine Brust zu streicheln, packte er sie mit hartem Griff am Handgelenk.
»Nein«, sagte er kalt. »Ich habe gerade erst ein sauberes Hemd angezogen.«
Die Bemerkung traf sie, zerbrach endlich die übereinander geschichteten Masken und enthüllte ihr wahres Gesicht. Sie starrte ihn mit giftigen blauen Augen an, hob die andere Hand und krallte nach seinem Gesicht.
James stieß sie einfach weg. Sie stolperte und fing sich an der Rücklehne des Stuhls. Ihr Gesicht war voller Abscheu, und ihre Schönheit war völlig verschwunden.
Lavinias Finger schlossen sich um die gepolsterte Lehne, bis James die Fäden unter ihren Fingernägeln reißen hörte. »Du wirst zurückkommen«, zischte sie. »Du kannst nicht ohne mich sein, und du weißt es. Ich bin alles, was du dir von einer Frau wünschst. Ich bin
alles.«
James schaffte es, nicht zu erschaudern, bis er auf der anderen Seite der bewachten Tür stand.
Das Entsetzliche daran war, dass Lavinia absolut Recht hatte. Er konnte nicht von ihr lassen, er brauchte sie. Aber nicht auf die Art, wie sie es sich vorstellte.
Sie allein kannte die Wahrheit, die hinter seinem Verrat an den Liars steckte. Sie allein konnte ihm helfen, die Schuldgefühle und den Schmerz zu bewältigen. Er wollte ihre Schuld beweisen und sie – Mörderin, die sie nun war – an den Galgen bringen; und bis dahin würde er immer wieder zu ihr zurückkehren.
Er blieb einen Augenblick lang auf dem Flur stehen, holte tief Luft und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er entspannte die Schultern mit schierer Willenskraft und spürte, wie der Schutzwall, den er gegen sie errichtet hatte, Stein für Stein schwand.
Er konnte ihren Duft an seiner Handfläche riechen – dort, wo er sie am Handgelenk gepackt hatte. Einst hatte der zarte Moschusduft ihn schier
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