Die schöne Betrügerin
eine einzelne Frau für ihre Machenschaften zu bestrafen.«
»Machenschaften? Es sind unsere Männer gestorben, Sir!«
»In der Tat. Wie sie es mit Freuden getan hätten, anstatt der Welt von der Existenz des Clubs zu berichten, nicht wahr?« Liverpool fixierte ihn mit einem kalten Blick, der James wieder klar machte, dass der Premierminister ihn, ohne zu zögern, opfern würde. Schließlich hatte Liverpool sogar seinen eigenen Protege Nathaniel Stonewell, Lord Reardon, der Öffentlichkeit zum Fraß vorgeworfen, um eine königliche Indiskretion zu verbergen, und das, obwohl der Mann tiefe, unerschütterliche Loyalität an den Tag legte – oder vielleicht gerade deswegen. Immerhin war Nathaniel Stonewell Mitglied der Royal Four, eines geheimen und exklusiven Kaders von vier Lords, die der Krone mit Rat und Tat zu Diensten standen. Die vier dirigierten gelegentlich auch jene Waffe, die der Liar’s Club darstellte, was nur bewies, dass Lord Liverpool eine der unbedeutenderen Schachfiguren, wie James Cunnington sie darstellte, bereitwillig drangeben würde, sollte es wirklich erforderlich werden.
Als ob James noch einen Wink gebraucht hätte…
Bevor James etwas sagen konnte, fuhr Liverpool fort: »Aus diesem Grund werde ich die Untersuchungen stoppen.« Er hob die Hand, um James am sofortigen Widerspruch zu hindern. »Ich gebe Ihnen zehn Tage, Cunnington. Bringen Sie mir Beweise. Bringen Sie mir einen Zeugen.« In Liverpools Blick lag zum ersten Mal eine Spur von Wärme. »Ich gebe Ihnen etwas Zeit, und ich gebe Ihnen einen Rat: Rache ist unproduktiv. Sie riecht nach Rückschritt. Man muss beständig vorwärts schreiten, sonst geht man in der Vergangenheit unter.«
James sah dem Premierminister nach, der zu seinen Männern zurückkehrte. Eine hilflose Wut packte ihn.
Zehn Tage.
Er ging entschlossen zu Lavinias Tür.
Lavinias »Zelle« war die luxuriöseste, die James je gesehen hatte, ausgestattet vom verzückten Lord Winchell. Brokatvorhänge schützten das mächtige Bett vor jedweder Zugluft, und in dem makellos sauberen Kamin knisterte ein Feuer. Eine hübsche junge Zofe, die auf königlichen Befehl hier war, las Lavinia jeden Wunsch von den Lippen ab. Der Raum war voll von Büchern und Stickarbeiten – der angemessene Zeitvertreib für eine Dame von Stand.
Es schien in der ganzen Regierung nicht einen Mann zu geben, der es auf sich genommen hätte, eine Lady schlecht zu behandeln – geschweige denn, sie zu henken – nicht einmal der Prinzregent persönlich.
James konnte ihnen kaum einen Vorwurf machen, hatte er Lavinias Charmes wegen doch selbst einmal seine Seele verkauft.
Lavinia selbst sah aus wie immer. Wenn man von blonder Perfektion sprach, war Lavinia der Inbegriff. Anmutig und gertenschlank saß sie in einem Gefängnissalon, der ihre engelhafte Zerbrechlichkeit nur unterstrich.
»James! Mein Geliebter, du bist zu mir gekommen!« Sie sprang graziös auf und eilte auf ihn zu, als wolle sie ihn umarmen. James rührte sich nicht von der Stelle und fixierte die großen blauen Augen, die ihn flehentlich ansahen und sich attraktiv mit unvergossenen Tränen füllten.
»Du hast mir immer noch nicht vergeben.« Lavinias Schultern sackten nach unten, doch diese Haltung betonte nur den anmutigen Schwung ihres Halses.
Sie war so schön, dass sie James’ Instinkte als Mann einst wie eine Harfensaite zum Vibrieren gebracht hatte. Zu dumm, dass in Lady Winchells perfektem Körper die schwarze Seele einer Giftschlange hauste.
»Schluss mit dem Theater, Vinnie.« James ging an ihr vorbei, setzte sich am Kamin in einen Sessel, ignorierte ihre zerknirschte Pose und sämtliche guten Manieren, um seine ausgekühlte Seele am Kohlenfeuer zu wärmen.
»Spar dir deine Lügen für jemanden auf, den sie kümmern. Ich bin an der Geschichte von der wilden Leidenschaft, die du dir für das Gericht ausgedacht hast, nicht interessiert. Wir wissen beide, dass die Kugel dem Premierminister galt, nicht mir. Hätte meine Schwester nicht interveniert, wäre ich nie rechtzeitig da gewesen, um sie abzufangen.«
»Agatha!« Für den Bruchteil einer Sekunde verzerrten sich Lavinias Gesichtszüge zu einer Grimasse aus blankem Hass. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht und gab klägliche, schniefende Geräusche von sich. »Deine Schwester hasst mich, weil sie gefürchtet hat, ich könne dich ihr wegnehmen!«
Die unverhohlen neugierige Zofe sah sich endlich genötigt, den Raum zu verlassen. Lavinias Geheul hörte schlagartig
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