Die schöne Betrügerin
zweiten Streifen um die andere Hand. Nachdem James ein paar Mal die Fäuste aneinander geschlagen hatte, als wolle er den Sitz der Bandage prüfen, grinste er Phillipa provozierend an.
»Passen Sie jetzt auf. Wenn Sie hart trainieren, werden Sie eines Tages genauso gut wie ich.« Er schwang sich auf die Plattform und kletterte zwischen den beiden Seilen hindurch. Ein anderer halbnackter Mann folgte seiner Einladung, doch Phillipa hatte nur Augen für James. Durch die hohen Fenster strömte das perlmuttfarbene Morgenlicht auf seinen gemeißelten Körper, sodass seine muskulöse Gestalt schier atemberaubend zur Geltung kam.
Ihr
verschlug James jedenfalls den Atem. Der andere Mann haute einfach nur zu. Fest.
Phillipa schrie auf, ein hoher Laut, der unverkennbar weiblich war. Glücklicherweise hatte der Schlag auch die anderen Männer, die sich um die Plattform versammelt hatten, anfeuernd brüllen lassen. Ihr Aufschrei blieb im allgemeinen Spektakel unbemerkt. Sie biss sich auf die Lippe, entschlossen, keinen weiteren Laut von sich zu geben, während sie das abstoßende Schauspiel männlicher Rivalität beobachtete. Schlag auf Schlag regnete auf James hernieder, obwohl sie zugeben musste, dass er ebenso gut austeilte, wie er einsteckte.
Er schien in diesem lächerlichen Spiel nicht wirklich zu Schaden zu kommen, also entspannte Phillipa sich etwas, bis das Spektakel sie wieder in seinen Bann zog.
In Bann? Es war wirklich ein Naturschauspiel. James hatte zu schwitzen begonnen, was seinen Körper in eine Bronzestatue zu verwandeln schien. Doch es war flüssiges Metall, denn unter seiner Haut arbeiteten die Muskeln. So geschmeidig. So kraftvoll.
Sie wollte ihn berühren. Sie wollte die Hände über seinen pumpenden Bizeps zu den breiten Schultern gleiten lassen, um sich dann die Finger an die Lippen zu legen und das Salz seiner glänzenden Haut zu schmecken. Sein Haar war feucht und klebte als ungebändigte Mähne an Stirn und Hals. Er war eine große goldene Bestie. Er stürzte sich auf seinen Gegner, parierte seinen Angriff, und seine braunen Augen wurden schwarz, wenn sie die Beute fixierten…
Sie wollte die Beute sein. Sie sehnte sich danach, seine Intensität zu spüren.
Begehre mich. Verfolge mich. Fang mich.
Sie leckte sich selbstvergessen die Lippen und sah ihm mit großen Augen und fest zusammengepressten Schenkeln zu.
James duckte sich mit einer geschmeidigen Bewegung unter dem Schlag seines Sparringpartners hindurch. Gut gemacht, dachte er. Er riskierte einen Blick über die Seile, wollte wissen, ob Phillip den Schlag gesehen hatte. Der Junge hatte in den männlichen Künsten einiges aufzuholen – Phillip sah nicht nur zu, er war
atemlos.
Exzellent. James grinste und platzierte einen schönen Aufwärtshaken am Kinn seines Gegners. Er lachte in sich hinein. Er wollte Phillip behilflich sein, nicht ihn beeindrucken. Aber die Begeisterung des Burschen zu sehen tat ihm gut. Wie es schien, war es ihm endlich gelungen, den Jungen für etwas anderes als Bücher und Essen zu interessieren. Schließlich brauchte doch ein jeder ein wenig Abwechslung, oder?
Es war an der Zeit für Phillips Runde. James tänzelte ein paar Schritte zurück, hob die bandagierten Fäuste und signalisierte: »Halt!« Wenn er Phillip eine ordentliche Unterrichtsstunde geben wollte, durfte er nicht zu erschöpft sein. Er gab einem der Helfer ein Zeichen, Phillip einen Satz Leinenbinden zu bringen. Als der Bursche sich näherte, wich Phillip zurück und hob die Hände.
»Nein-«
»Also Flip, wollen Sie etwa Ihr Wort brechen?« James lehnte in den Seilen. »Es ist noch keine Stunde her, da haben Sie mir versprochen, es zu versuchen.«
James musste lachen, als er die Panik in Phillips Gesicht sah.
»Ich habe mein Leben lang niemanden geschlagen«, protestierte er.
James nickte verständnisvoll. »Dann wird es höchste Zeit, würde ich sagen.«
Der Helfer entledigte Phillip geschäftig seines Gehrocks. Als der Mann nach den Knöpfen der Weste fasste, ging der junge Hauslehrer auf Abstand. »Das reicht, danke.«
Einer der Männer schnaubte: »Will das Bürschchen vielleicht auch den Hut aufbehalten?«
James bedeutete ihm, Ruhe zu geben, kletterte zwischen den Seilen durch und sprang neben Phillip aus dem Ring. Er beugte sich zu ihm hinüber. »Kommen Sie, Flip. Sie wollen doch vor all den Kerlen nicht den Hasenfuß spielen?«
Phillip schluckte. »Was die denken, kümmert mich nicht… aber Ihnen habe ich wohl mein Wort gegeben.« Er
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