Die schöne Betrügerin
schwarzen Gedanken, denen er seit seiner Gefangenschaft nachhing, waren ihm ein Rätsel und machten ihm Angst. Er hatte von Männern gehört, die nach besonders blutigen Schlachten förmlich von Dämonen heimgesucht wurden, aber er hatte nie erfahren, auf welche Weise sie diese Dämonen wieder losgeworden waren.
Sicher, da war immer noch das Beispiel, das Freunde einem gaben. Simon hatte seine Agatha. Dalton hatte seine Clara. »Waren Sie jemals verliebt, Phillip?«
Phillip drehte das Gesicht zum Feuer. »Ich weiß nicht, Sir.«
James nickte. »Ich weiß genau, was Sie meinen. Meiner Schwester zufolge bedeutet das, dass wir es definitiv nicht waren. Sie liebt den Mann, der einst mein bester Freund war.«
»Sir Raines? Und jetzt sind Sie keine Freunde mehr?« »Doch, schon… aber er gehört jetzt ihr – auf eine Weise, die ich nicht recht verstehe. Und Lord Etheridge hat erst kürzlich geheiratet und ist völlig verrückt nach seiner Frau…«
»Und Sie fragen sich, wann Sie an der Reihe sind?«
James drehte sich zu Phillip um. »Nein. Das war vielleicht früher der Fall, aber jetzt nicht mehr. Jetzt habe ich andere Ziele. Mir meine eigene Lady zu suchen gehört nicht dazu.« Er gestikulierte in Richtung Treppe. »Daher auch Robbie. Ein Erbe auf Bestellung, so wie die Dinge liegen.«
»Sie haben ihn als Erben adoptiert? Nicht als Sohn?«
James zuckte die Achseln. »Ich sehe da keinen Unterschied.«
Phillip senkte den Blick auf seine Hände. »Und die Lady, nach der Sie nicht suchen wollen? Hatten Sie jemanden im Sinn, bevor Sie beschlossen haben, sich anderen Zielen zuzuwenden?«
»Oh, ja. Ich hatte mir bereits eine herausgepickt. Attraktiv, formvollendet, unterhaltsam und geistreich. Elegante Figur, schöne Augen – und natürlich völlig verrückt nach mir. Wirklich alles, was ein Mann sich nur wünschen kann.«
»So.« Phillip sagte eine ganze Zeit lang nichts. »Was ist aus ihr geworden? Hat sie einen anderen geheiratet?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich habe sie nie wirklich kennen gelernt, verstehen Sie?«
Phillip lachte ungewollt auf, und James grinste.
»Los, Flip. Erzählen Sie mir von Ihrer Traumfrau.«
Phillip räusperte sich. »Ach… nun, denn. Jemand Nettes, Sie wissen schon.«
»Aber Sie wünschen sich doch sicher mehr, als bloße Freundlichkeit, Flip. Was ist mit ihrer Figur? Mollig, dünn, kurvig? Von welcher Sorte träumen Sie?«
»Also… von der traumhaften Sorte, würde ich mal sagen.
Und
Sie? Von was für einem Typ Frau träumen Sie? Oder träumen Sie überhaupt nicht mehr von Frauen?«
James kam entrüstet aus seiner lümmelnden Position hoch. »Sicher träume ich noch von Frauen. Wofür halten Sie mich denn, für ein Weichei?«
»N-Nein, natürlich nicht. Absolut nicht.« Phillip schien sehr mitfühlend. James entspannte sich wieder.
»Verdammt richtig, ich träume von Frauen! Ich habe die verdammt besten Phantasiefrauen, die man sich nur vorstellen kann!« Auch das schien wieder an Phillips Mitgefühl zu appellieren. James fragte sich, ob er vielleicht zu viel getrunken hatte.
»Also, wovon träumen Sie genau?«
Armer Phillip. So jung und so neugierig. James konnte sich noch gut an diese verwirrenden Jahre erinnern. Ein Mann zu sein war eine harte Prüfung, solange man an nichts anderes als Sex denken konnte. James stachelte Phillip besser nicht an, was das betraf – nicht, dass ein Bursche dieses Alters Hilfe gebraucht hätte. Wenn Phillip nur halbwegs so geil war, wie James es mit sechzehn gewesen war, dann bestand für seinen Geisteszustand ohnehin keine Hoffnung.
Gott sei Dank hatte James seinen Drang unter Kontrolle. E r hatte seit Tagen nicht mehr an diesen Rotschopf gedacht. Zu dumm, dass diese neue Form der Selbstbeherrschung sich so spät eingestellt hatte – viel zu spät.
»Also, wie sieht Ihre Phantasie aus?«
James rollte sich mit dem Glas über die Stirn, aber das Kristall war warm, hatte zu nah am Feuer gestanden und half nicht, ihn abzukühlen. »Phantasie?«
»Diese Traumfrau, die Sie da haben.«
James goss einen Brandy ein und reichte ihn Phillip. »Hier. Sie haben einiges aufzuholen.«
Phillip griff zimperlich nach dem Glas. Er schnüffelte daran und zog die Nase kraus. »Riecht nach Möbelpolitur und Rosen.«
James lachte. »Stimmt. Schmeckt aber wie Nektar.«
Phillip fasste Mut, nahm einen tiefen Schluck – und spie ihn nach Luft schnappend über die Weste. »Igitt!« Er starrte James, der leise in sein eigenes Glas schnaubte, böse an.
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