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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Stillen genossen, das war klar, sie hatte es genossen, das hatte er gespürt, ja, ja, sie hatte es genossen. Nur war sie eben keine Frau, die groß aus sich herausging, sondern eine Adelige, die sich genierte, ihre Empfindungen auszudrücken, Schamgefühl eben. Und außerdem hatte sie gesagt, es sei sehr schön gewesen! Wenn sie, die sonst so Zurückhaltende, sich getraut hatte, so etwas zu sagen, dann bedeutete das schon etwas, und es bewies doch, dass sie es genossen hatte. Ha ha, die schweigende Puritanerin ist also doch keine Kostverächterin, sie liebt es, trotz ihres Rührmichnichtan-Getues, sie liebt es, mein Alter, sie fand es sehr schön! Nun gut, davon konnte sie mehr haben! Und was jetzt? Sie fragen, ob sie gut geschlafen habe und ob sie nicht zu müde sei, mit einem vielsagenden Lächeln?
    Er war gerade dabei, das Für und Wider zu erwägen, als das Gesellschaftliche plötzlich auf ihn eindrang und das Physiologische verdrängte. Der Beamte trat an die Stelle des Don Juan und biss sich auf die Fingernägel.
    »Denk nicht mehr an das verpatzte Diner«, sagte sie, als sie wieder bei ihm war.
    Er klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die Zungenspitze.
    »Trotzdem, es ist doch ärgerlich, nicht zu wissen, woran man ist, denn schließlich hat er uns ganz schön sitzenlassen, zum Donnerwetter.«
    »Du wirst sehen, er wird sich bei dir entschuldigen.«
    »Oh, das verlange ich gar nicht.«
    »Worüber machst du dir dann Sorgen?«
    »Nun ja, es ist eben unangenehm, wenn mit einem Chef irgendwas nicht stimmt. Die Sache ist mir einfach peinlich, das ist es.«
    »Es wird sich alles einrenken, du wirst schon sehen.«
    »Glaubst du wirklich?«
    Dieser Zeigefinger, der auf die Zungenspitze klopfte, erregte ihr Mitleid. Sie beschloss, massive Argumente aufzufahren.
    »Mach dir nichts aus solchen Kleinigkeiten. Das Wichtigste ist deine persönliche Arbeit. Deine wirkliche Arbeit, die einzige, die zählt.« (Sie errötete vor Scham.)
    »Du meinst meine literarische Tätigkeit?«
    »Ja, natürlich«, sagte sie, und der dankbare Blick, den er ihr zuwarf, machte sie verlegen. »Und schließlich bist du ja befördert.«
    Er lächelte. Ja, sie hatte recht, auch ohne das Diner war er immer noch ein A. Und was konnte er im Augenblick vom U.G.S. noch erwarten? Nichts. Schließlich konnte er erst in frühestens zwei Jahren Abteilungsleiter werden. Und bis dahin konnte viel passieren.
    »Hör zu, Liebling, ich verlasse dich. Obwohl Samstag ist, möchte ich doch ins Palais gehen. Es ist eine Frage der moralischen Verpflichtung, verstehst du. Schließlich ist es erst mein zweiter Tag als A. Und außerdem könnte er mich rufen lassen, um mir die Sache zu erklären.«
    In der Badewanne pfiff er vor sich hin. Ja, sie hatte ganz recht, zum Donnerwetter, das Sekretariat war fürs Materielle, aber sein wahres Leben war die Literatur, darauf musste er sich konzentrieren! Nachher im Büro nach einem guten Romanthema suchen, unbedingt. Überlegen wir mal, was wäre denn originell?

***

    Zwei Stunden später saß das Ehepaar Deume im Salon, sie mit ihrer Strickarbeit und er beim Ausfüllen von Kärtchen mit Kochrezepten und praktischen Ratschlägen, und sie unterhielten sich zum dritten Mal über den Vorfall vom Vorabend.
    »Hoffen wir wenigstens, dass dieser Herr den Anstand besitzt, sich schriftlich zu entschuldigen«, resümierte die Dromedardame. »Im Übrigen haben wir an Beziehungen die van Offels und die Rampals, die ihm in nichts nachstehen. Und weißt du, ich hatte eigentlich die ganze Zeit kein sehr gutes Gefühl, er ist eben ein Ausländer, und vor Ausländern muss man sich immer in acht nehmen.«
    »Das ist wahr, die Ausländer werden nirgends gemocht, in keinem Land, und das beweist doch, dass da was dran ist.«
    »Und obendrein ist er Jude. Erinnere dich an diesen Jacobson, den Apotheker meiner armen Schwester, sie hat sehr unter diesem Fehltritt gelitten, und sie hatte großes Glück, dass die Familie noch schnell, bevor es zu sichtbar wurde, eine Heirat mit diesem netten Witwer Janson arrangieren konnte, der zwar ein bisschen krumm, na ja, ein bisschen buckelig, aber sonst sehr achtbar ist. Glücklicherweise hatte ich Weisung, dem armen Didi nie etwas davon zu erzählen. Der arme Kleine, wenn er wüsste. Nun ja, in ihm fließt Gott sei Dank das Blut der Leerberghes.«
    »Und was wurde aus dem Apotheker?«
    »Er ist ein paar Tage nach der Verführung an einer Hirnhautentzündung gestorben. ›Wenn der Wind daherfährt, ist der

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