Die Schöne des Herrn (German Edition)
ist gerettet, es hätte mir im Herzen wehgetan, wenn wir all diese raffinierten Gerichte und besonders den Kaviar im Familienkreis hätten essen müssen. Und so können wir auch die Menükarten wieder benutzen. Danach hat Adrien auch die Rassets angerufen, aber keine Antwort. Rätselhaft! Vorhin hat er mich aus dem Palais angerufen, denn er sagt seiner Mammi immer alles, was er tut, er hat mich also angerufen, um mir zu sagen, er habe mehrere Male bei den Rassets angerufen, aber immer noch keine Antwort, ich denke, sie sind nicht da, auf Reisen vielleicht, schade, denn Madame ist die Tochter des Vizepräsidenten des Roten Kreuzes.«
»Des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz«, korrigierte Herr Deume.
»Das ist in der Tat sehr bedauerlich«, sagte Ariane.
»Umso mehr, als wir mehr als genug haben. Nun ja, wir werden den Kanakis eben mehrmals Kaviar anbieten, da er sich nicht hält.«
»Eine gute Idee«, sagte Ariane.
»Einerseits ist es schade, wenn man bedenkt, was Kaviar kostet, aber andererseits ist es immer noch besser, als ihn schlecht werden zu lassen, so macht man wenigstens jemanden glücklich damit, finden Sie nicht auch, Ariane?«
»Sie haben vollkommen recht. Und kann ich Ihnen sonst noch etwas besorgen, Madame?«
»Ja, Sie könnten mir ein Pfund Tee mitbringen, englische Mischung zu neun fünfundzwanzig, und ein Pfund Kaffee, aber kolumbianischen.«
»Der ist aromatischer als der brasilianische«, sagte Herr Deume.
»Mit Vergnügen, Madame.«
»Vielen Dank, Ariane«, sagte Frau Deume, ergriff in einer plötzlichen Gefühlsaufwallung beide Hände ihrer so wundersam verwandelten Schwiegertochter und blickte ihr frech ins Gesicht. »Sie könnten mir noch eine Packung Palmin besorgen, die viel preiswerter als Kochbutter ist.«
Als Ariane sie fragte, ob sie ihr noch einen anderen Dienst erweisen könne, bat sie sie, wenn es ihr nicht allzu viel ausmache, zum Fundbüro zu gehen und dort ein Päckchen Sicherheitsnadeln abzugeben, das sie vorgestern in der Straßenbahn gefunden habe, zwei Dutzend ganz neue Sicherheitsnadeln, die vielleicht eine arme Frau aus dem Volk verloren habe, und das quäle sie. Ariane sagte, das mache ihr gar nichts aus, sie müsse ohnehin zum Bourg de Four, um sich über einen Kochkurs zu informieren, an dem sie vielleicht teilnehmen wolle. Frau Deume nahm es befriedigt zur Kenntnis und fuhr fort:
»In diesem Fall seien Sie doch bitte so lieb, auch rasch bei Madame Replat vorbeizuschauen, sie ist eine Bekanntschaft aus der Nähstunde und wohnt Bourg de Four Nummer 6, es ist für Sie also kein Umweg, und sagen Sie ihr bitte, ich hätte sie angelogen, wie schrecklich, natürlich ganz unbeabsichtigt, aber es liegt mir auf der Seele, und ich möchte den Stein endlich vom Herzen haben, damit ich wieder ruhig schlafen kann. Ich hatte ihr nämlich erzählt, Saint-Jean d’Aulph sei 940 Meter hoch. Und gestern Abend habe ich noch einmal nachgeschaut und gesehen, dass ich mich um hundert Meter geirrt hatte! Saint-Jean d’Aulph ist nur 840 Meter hoch! Würden Sie ihr das sagen?«
»Gern, Madame.«
»Vielen herzlichen Dank, meine Liebe. Sehen Sie, ich kann eben nicht in der Lüge leben. Wenn ich zum Beispiel an Freunde schreibe, kriege ich es einfach nicht fertig, Grüße von Hippolyte auszurichten, ohne ihn vorher gefragt zu haben! Falls er nicht da wäre, würde ich keine Grüße von ihm bestellen, selbst wenn ich an seine besten Freunde schriebe! Die Wahrheit geht immer vor, nicht wahr, im Kleinen wie im Großen! Also, meine Liebe, nochmals vielen, vielen Dank«, sagte Frau Deume lächelnd, und ihre Brillengläser blitzten vor lauter Liebe.
Als ihre Schwiegertochter gegangen war, sah sie ihren Gemahl an, der sich nichts anmerken ließ. Innerlich zitterte er vor Freude und Stolz über seine liebe Ariane, aber man konnte nie sicher sein, Vorsicht war auf jeden Fall geboten.
»Was hältst du davon?«, fragte sie.
»Nun, es scheint mir …«
»Hoffen wir nur, dass es so weitergeht. Meiner Meinung nach hat sie religiöse Anwandlungen. Hast du nicht bemerkt, dass sie das Rezept für ihren Kuchen in einer religiösen Zeitung entdeckt hat? Ich frage mich zwar, in welcher, aber es ist immerhin ein gutes Zeichen. Erinnerst du dich, dass sie mich um das kleine Zimmer unten gebeten hat, um sich daraus einen kleinen Salon zu machen, mit ihrem Klavier und so weiter? Ich hatte es ihr verweigert, weil diese Kammer als Abstellraum unentbehrlich für mich ist, aber jetzt werde ich darauf
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