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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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alles, was sie sagte. In ihrer edlen Entrüstung war sie sich der Gerechtigkeit ihrer Sache sicher. Das war ihre große Stärke, die ihr erlaubte, den weniger begabten Gegner durch einen Kampfgeist und eine Angriffslust zu vernichten, die wirklich bewundernswert waren. Überdies war sie geschickt. Erfinderisch wie ein begabter Staatsanwalt, wusste sie ihre Argumente stets in ein günstiges Licht zu setzen, alles auszuschließen, was gegen sie verwertet werden könnte, und die Taten und Worte des schuldigen Ehemannes gebührend zu verdrehen, zu verfälschen und zu übertreiben. Und all diese Unredlichkeit in vollkommener Redlichkeit, denn sie war ehrlich.
    Verwirrt hörte er der Unermüdlichen zu und wusste, dass sie ihn zu Unrecht anklagte, aber wie stets mit dem Anschein von Recht. Und er wusste auch, dass er sie nicht überzeugen konnte, dass ihm dazu die Begabung fehlte, dass er nicht genügend Vitalität besaß und zu bekümmert war, um sich wirkungsvoll verteidigen zu können. Denn es war die Wahrheit, er könnte ihr nur wiederholen, dass sie böse und ungerecht war, worauf sie ihm endlos und siegreich widersprechen würde.
    Nein, er war ihr nicht gewachsen. Ihre Waffen waren stärker. So streckte er die seinen und ging wortlos hinaus, was die junge Frau beeindruckte und die Aktien ihres Mannes wieder steigen ließ.

***

    Der Arme war ihr wirklich nicht gewachsen. Während dieses schrecklichen Monats Mai hatte sie, wenn er versucht hatte, seiner Frau die Stirn zu bieten und sie durch unwiderlegbare Beweise von ihrem Unrecht zu überzeugen, nicht einmal nachgegeben. Aus all ihren Diskussionen war sie stets siegreich hervorgegangen, sei es, weil sie ihn unterbrochen und lauter gesprochen hatte, während er ohnmächtig und traurig mit halboffenem Mund dagesessen war und ihre Anklagen über sich hatte ergehen lassen, sei es, weil sie ihn mit irrealen, aber durchschlagenden Antworten zunichte gemacht hatte, indem sie zum Beispiel seine ehrlichen Argumente als eine »Sarabande von Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien« bezeichnet hatte, sei es, weil sie das Gespräch in eine andere Richtung gelenkt und er den Faden verloren hatte, sei es, weil sie allem, was er hervorgebracht hatte, nicht die geringste Aufmerksamkeit geschenkt und ihn weiterhin in einem fort mit unverständlichen und folglich unwiderlegbaren Vorwürfen überhäuft hatte.
    Wenn es ihm im besten Fall gelang, ihr seine eigenen Beschwerden bis zum Ende vorzutragen, und sie sich dann in eine schlechte Lage versetzt fühlte, flüchtete sie sich in die Tränen und den Schmerz der zarten misshandelten Frau, oder sie weigerte sich einfach zu antworten und setzte ihr Marmorgesicht auf, wenn er sie anflehte, ihr Unrecht einzugestehen, oder aber sie wandte die Taktik des »ich verstehe kein Wort von dem, was du mir da erzählst« an, eine Taktik, an der sie unermüdlich festhalten konnte, wenn er aufs neue begann, ihr gewissenhaft und so klar und deutlich wie möglich zu erklären, inwiefern sie unrecht gehandelt hatte. (Es war eine Manie bei diesem armen Kerl. Er glaubte nun einmal an die erlösende Tugend der Erklärungen. Er hätte besser daran getan, kein Ehemann zu werden, das war sein einziges Vergehen.) In einem solchen Fall ließ sie ihn reden, ohne ihn zu unterbrechen, und wenn er geendet hatte und sie hoffnungsvoll anblickte, in der Gewissheit, ihr diesmal alles genau erklärt und sie endlich überzeugt zu haben, rief die Unbezähmbare erneut, sie habe nichts, absolut nichts verstanden von dem, was er ihr da erzählt habe!
    Und wehe ihm, wenn er, von dieser triumphierenden und schreienden Unaufrichtigkeit zum Äußersten getrieben, mit geballten Fäusten auf sie losging, wehe ihm, denn dann bezeichnete sie ihn als feigen Rohling, der sich an einer Frau vergreift, stieß Schreie des Entsetzens aus, eines Entsetzens, das sogar aufrichtig war, was teuflisch war, rief um Hilfe und brachte die ganze Nachbarschaft in Aufruhr. Eines Abends, kurz vor der Rückkehr der Deumes, hatte sie sich, weil er ihr befohlen hatte, endlich mit dem Schreien aufzuhören, und dabei den Arm erhoben hatte, ohne die geringste Absicht, sie zu ohrfeigen, ihre Pyjamajacke vom Leibe gerissen und war splitternackt und wutentbrannt in den Garten gerannt. Am folgenden Abend hatte sie ihn, weil er sich hatte hinreißen lassen, etwas zu laut zu sagen, sie sei böse zu ihm, zur Strafe angeschrien, er sei ein Ungeheuer und ein Tyrann, der sie quäle, und die Tapeten von der Wand gerissen

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