Die Schöne des Herrn (German Edition)
und isst nicht, es ist schrecklich, fehlt Ihnen was, Madame Ariane?, hab ich sie schon zwei- oder dreimal gefragt, weil ich hab gedacht, sie würde mir den Grund sagen, aber sie antwortet immer nur, ich bin müde und hab Kopfschmerzen, das ist alles, und bei dem Gesicht, was sie macht, hat es keinen Sinn, weiter zu fragen, sie würde nur wütend werden, wenn ich die Neugierige spiel, vielleicht ist es so eine Nervenkrankheit wie bei ihrem Papa, der hat auch tagelang kein Wort gesagt und immer nur nachgedacht, und ich Arme tu, was ich kann, manchmal erzähl ich ihr Dummheiten, um sie zum Lachen zu bringen, aber sie lacht nicht, und gestern Morgen sag ich zu ihr, um sie auf andere Gedanken zu bringen, Madame Ariane, sollen wir nicht ein bisschen ans Meer, an die Côte d’Azur fahren, wo das Meer doch schon immer ihre Leidenschaft war, das ist halt so eine Idee von ihr, obwohl mir das Meer überhaupt nichts sagt, da kann man sich nicht drin einseifen, es schäumt nicht, also ich sag, sollten wir nicht, aber sie hat nur den Kopf geschüttelt und gesagt, dass sie sehr müde ist, immer das gleiche Lied, und sie isst so gut wie nichts, nur als Beispiel, gestern Abend mach ich so ein kleines Abendessen für sie zurecht, lauter Appetithäppchen, dass sie Lust kriegt, und das bring ich ihr ans Bett mit dem kleinen Krankentisch, übrigens sehr praktisch dieser Tisch, man kann ihn einfach zusammenklappen, wenn man ihn nicht benutzt, also Radieschen, Oliven, Sardinen, Butter und auch von der schönen Wurst, die wo mir meine Cousine aus Nanteuil geschickt hat, mir wär lieber, sie würde mir zurückzahlen, was sie mir schuldet, ein bisschen Thunfisch mit Mayonnaise und Paprika, weil Paprika macht lustig, und Sellerie mit Remouladensauce, und alles schön zurechtgemacht, die ganz dicken schwarzen Oliven, und Mürbeteigschiffchen, ganz künstlerisch mit Schornstein, um sie ein bisschen aufzuheitern, und gefüllt mit Sardellen, harte Eier mit Mayonnaise, wo ich Babygesichter draufgemacht hab mit zwei Kapern als Augen und einem Stückchen Paprika als Mund, um sie ein bisschen aufzuheitern, und Parmaschinken, lauter so Sachen, die wo dem Gaumen schmeicheln, das Tablett schön mit Blumen dekoriert, kurz, ich hab mein Möglichstes getan, um sie auf andere Gedanken zu bringen, ach, die Hauptsache hab ich vergessen, Räucherlachs, den hab ich extra noch schnell in der Stadt besorgt, in dem teuren Laden, eine Gaunerbande, aber feine Sachen haben sie, das muss man schon sagen, zweihundert Gramm und extra vom Oberstück, vom allerbesten, wo es nicht zu gesalzen ist, Sie müssen ja nicht alles essen, Madame Ariane, nur soviel Sie mögen, aber sie mochte nichts, nur Tee, und so hab ich alles allein aufessen müssen, ein Jammer, wo es doch zum Wegwerfen zu schade war, und wie ich ihr vorhin das Frühstück ans Bett gebracht hab, hat sie nicht mal den Kopf gehoben und nur irgendwas mit dem Finger auf die Bettdecke gezeichnet, hier bring ich Ihnen schönen heißen Milchkaffee, Madame Ariane, warten Sie, ich schieb Ihnen noch ein Kissen unter, damit Sie’s bequem haben, und da schaut sie mich an, als ob ich gar nicht da wär, nur ein bisschen schwarzen Kaffee hat sie genommen, einen Schluck, und die schönen Hörnchen, Madame Ariane, sagen die Ihnen nichts? nein danke, Mariette, ich hab keinen Hunger, aber Madame Ariane, so ein Hörnchen isst man auch ohne Hunger, das ist doch kein richtiges Essen, nein danke, liebe Mariette, und dann starrt sie wieder die Decke an, als ob sie sagen wollte, sei still und lass mich allein, sie hat bestimmt irgendwelche Beschwerden, ich hab ihr gesagt, sie soll zum Arzt gehen, sie hat nicht mal geantwortet, man darf sie nicht mal mit der Pinzette anfassen, ja, liebe Mariette, hat sie zu mir gesagt, die arme Kleine, aber mir wär lieber, sie sagt, altes Miststück, und isst ein bisschen was, ich nenn sie Madame Ariane, wo ich sie zur Zeit ihrer Tante doch immer Mademoiselle genannt hab, Mademoiselle Valérie wollte nicht, dass ich einfach Ariane zu ihr sag, als sie größer wurde, eine Frage des Respekts, es ist halt Gewohnheit, zuerst Mademoiselle und später zwangsläufig Madame, aber deshalb ist sie trotzdem mein kleiner Liebling, als Witwe ohne Kinder ersetzt sie mir was, ja, ja, sie ist so was wie meine Tochter, wo doch meine Nichten nichts taugen, sie streunen herum und denken nur ans Essen, ja, die beiden haben einen gesegneten Appetit, aber warten wir mal bis Mittag, vielleicht kommt der Appetit ja, ich mach
Weitere Kostenlose Bücher