Die Schöne des Herrn (German Edition)
für mich! Frag Rothschild, frag Bischoffsheim! Übrigens bist du auch ein bisschen schwach im Kopf. Jawohl, mein hübsches Schmusekaterchen, leugne es nicht, eben noch wolltest du nach Jakobs Schatten an der Wand greifen! Ich habe es gesehen und wäre vor Lachen fast erstickt! Höre, ich will dir ein Geheimnis sagen. Wenn ich ganz allein bin, spanne ich Isaak und Jakob vor die Karosse, und dann setze ich mich hinein, nehme die Zügel in die Hand und fahre im Keller spazieren! Eine richtige kleine Königin! Eben habe ich Schlafwandlerin gesagt, das war nur aus Rücksicht, um nicht zu sagen, blind! Oder wenn ich mich zu einsam fühle, weil die anderen in die verschiedenen Keller gegangen sind, um Einkäufe zu machen oder Gespräche zu führen, und ich bin ja zu klein, mit einem Buckel und ohne Hals, dann versuche ich zu schlafen, um nicht zu denken. Schlafender Hund hat keine Flöhe. Los, komm, steig in die Karosse meines Großvaters! Schnell, sonst kneif ich dich!«
Sie öffnete den aus zahlreichen Spiegeln funkelnden Wagenschlag, stieß ihn mit beiden Händen hinein, zwang ihn, sich in den Fond zu setzen, kletterte gleichfalls hinein und setzte sich neben ihn. Vergnügt ließ sie ihre Beinchen baumeln, hörte dann jedoch plötzlich auf damit und bedeutete ihm zu schweigen.
»Hörst du die da draußen? Sie sind glücklich, hinter einer Musik herzumarschieren, die Schwachköpfe! Während wir in der königlichen Karosse sitzen! O mein schöner Keller, o großes Schicksal, o geliebte Nägel! Willst du jetzt lustig sein? Wir haben Masken für das Purimfest, Masken, die vor meiner Geburt gekauft wurden! Da siehst du, wie jung ich bin! Willst du lachen? Wir haben Spiele für das Purimfest! Schau!«, rief sie mit bebender Stimme, beugte sich herab, holte unter dem Sitz eine Pappkrone mit Glasrubinen hervor und setzte sie sich auf den Kopf. »Beim Purimfest war ich immer die Königin Esther, anmutig und die Freude meines Vaters! Und für dich, hier, eine falsche Nase, damit du dich freuen kannst! Und weißt du auch worüber, du Unwissender? Über den Tod Amans, damit du’s weißt! Manchmal spiel ich die Böse, weil es traurig ist, so klein zu sein! Dann sage ich, ich liebe sie schön gar, oder ich beiße dich, aber das ist nicht wahr, es ist nur Galgenhumor. Und vielleicht irre ich mich auch, wenn ich sage, dass die anderen Völker froh sein werden. Warten wir es ab! Auf jeden Fall traue ich Polen nicht! Nun schau mich nicht so blöde an wie eine Harfenspielerin! Los, setz dir die falsche Nase auf!«
Er gehorchte, und sie klatschte in die Hände, während er seine groteske Pappnase streichelte, sie stolz streichelte. Plötzlich fuhr er zusammen, als er die Schläge aus der Tiefe hörte, drei Schläge, dann zwei. Sie tätschelte wichtigtuerisch seine Hand und sagte, er brauche keine Angst zu haben, das seien nur die Juden im Keller nebenan, die an die Falltür klopften, Langweiler, die ständig kämen, um Neues zu erfahren und um Lebensmittel zu bitten. Sie stieg aus der Karosse, hob ihre Schleppe hoch und ging, sich in den Hüften wiegend, zur Tür.
»Warten sollt ihr und stöhnen, denn ihr habt keine Manieren!«, schrie sie, über die Falltür gebeugt. »Ich bin sehr beschäftigt, und ich will lachen und mich pudern! In einer Stunde mach ich euch auf, nicht früher! Schweigt, ihr Juden!«
***
Als die Zwergin Rachel wieder neben ihm in der Karosse saß, ganz ernst jetzt, fuhr sie mit den Fingern über die Saiten einer anderen Gitarre, entlockte ihr melancholische Klänge und warf ihm ab und zu einen durchdringenden Blick zu. Er betrachtete sie und hatte Mitleid, Mitleid mit dieser kleinen Missgeburt und ihren großen Augen, den schönen Augen seines Volkes, hatte Mitleid mit dieser kleinen Verrückten, Erbin jahrhundertealter Ängste und die verwachsene Frucht dieser Ängste, Mitleid mit diesem Buckel, und in seiner Seele betete er diesen Buckel an, diesen Buckel aus Ängsten und Angstschweiß, Jahrhunderte voller Schweiß und Erwartung des Leids, Schweiß und Ängste eines verfolgten Volkes, seines Volkes und seiner Liebe, des alten geniebegabten Volkes, gekrönt von Unglück, königlichem Wissen und Enttäuschung, dessen alter König allein in den Sturm ging und sein Gesetz trug, durch den schwarzen Sturm der Jahrhunderte tönende Harfe, unsterblich in seinem Wahn von Größe und Verfolgung.
»Ich bin hässlich, nicht wahr?«, fragte sie und führte mit der rührenden Geste eines kranken Äffchens ihre kleine Hand
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