Die Schöne des Herrn (German Edition)
hervor:
»Ich hätte gern drei Anproben. Die erste am Freitag dieser Woche und die beiden anderen am Dienstag und Mittwoch der nächsten Woche.«
Sie holte Atem, während er sich gütig verneigte, fest entschlossen, diese Kundin, die zur Kategorie des Federviehs gehörte, ordentlich zu rupfen.
»Kommen wir jetzt auf das Kostüm zurück«, sagte er. »Ich kann Ihnen da ein paar sehr hübsche Modelle zeigen. (Er wandte sich an eine tuberkulöse Tragödin mit endlos langen Wimpern.) Josyane, bringen Sie mir mal das Dormeuil, das wir gerade hereinbekommen haben, das Minnis zwölf dreizehn und das Melierte von Gagnière.«
»Das ist nicht nötig, der Flanell hier auf dem Tisch gefällt mir sehr.«
»Sie haben einen guten Geschmack, liebe gnädige Frau. Ein ganz auserlesenes Stück. Dieses Anthrazitgrau ist bezaubernd. Und welchen Schnitt wünschen Sie? Für Sie würde ich eine sehr kurze Jacke vorschlagen, mit geraffter Taille und einem Gürtel aus dem gleichen Stoff und hohen Taschen, oder vielleicht mit breitem Revers und Zierausschnitt, der den Busen betont. Chloé, rufen Sie Bettine und Patricia, sie sollen Caprice und Androclès vorführen.«
»Das ist nicht nötig«, sagte sie, ungeduldig, keine »liebe gnädige Frau« mehr zu sein. »Machen Sie dieses Kostüm wie das andere, das ist ja auch aus Flanell.«
»Sehr gut, liebe gnädige Frau. Notieren Sie, Chloé. Ein zweites Cambridge aus anthrazitgrauem Holland. Erste Anprobe von allem Freitag, den 17., am Nachmittag. Wir werden uns ausschließlich um die gnädige Frau kümmern. Alles andere wird zurückgestellt. Ich empfehle mich, liebe gnädige Frau.«
Befreit und glücklich, keine parfümierte Luft mehr atmen zu müssen, beschloss sie, sich mit einigen Tassen Tee zu belohnen. Aber vor der Konditorei wurde ihr blitzartig bewusst, dass das Kleid aus Goldlamé ohne Dekolleté entsetzlich aussehen würde. Doch absurd, ein sehr sorgfältig entworfenes Haute-Couture-Modell einfach abzuändern. Dieser elende Volkmaar hätte das nicht akzeptieren dürfen. Halsnah, so was Idiotisches. Ein Rattenhals. Ein Hinrichtungskleid für eine vatermörderische Ratte. Dieser elende Volkmaar. Sie versetzte einem harmlosen Kieselstein, der niemandem weh tat, einen Fußtritt. Sobald sie die Kleider hatte, würde sie Volkmaar einen anonymen Brief schreiben und ihm sagen, er habe sicher schlaffe Hängetitten.
»Diesmal rufe ich aber an.«
In der Telefonzelle wählte sie die Nummer, nachdem sie das heilige Telegramm vor sich hingestellt hatte, um sich Mut zu machen. Doch sobald sie Chloés Stimme vernahm, hängte sie ein und lief davon. Vor der Konditorei blieb sie stehen. Mein Gott, das Telegramm! Sie rannte und zwängte sich noch einmal in den Glaskasten. Es war noch da! »Mein Geliebter«, sagte sie zu ihm.
Nur Mut, ja, noch einmal hingehen, fünf schlimme Minuten durchstehen. Monsieur, ich habe es mir überlegt, lassen Sie das Goldlamé-Kleid wie das Modell, also mit dem großen Dekolleté. Oder besser, dieses Kleid überhaupt abbestellen, im Sommer wäre es sowieso zu warm. Ja, abbestellen würde weniger sprunghaft und vernünftiger wirken.
***
Als sie um Mitternacht noch immer nicht einschlafen konnte, machte sie Licht und griff noch einmal zum Handspiegel. Wirklich ganz außergewöhnliches Haar. Kastanienbraun, aber mit einem herrlichen goldenen Schimmer. Auch die Nase außerordentlich, wahnsinnig schön, obwohl vielleicht ein bisschen größer als üblich. Kurzum, sehr schön. Selbst die Schwäne hatten sie angeschaut, als sie am See spazieren gegangen war, nachdem sie das Schweinchen verlassen hatte. Aber was nützte es ihr, schön zu sein, wenn er nicht da war?
»Nummer eins, das weiße Crêpekleid, unnötig, weil ich schon eins habe, wirklich eine komische Idee. Zwei und drei, die zwei süßen ländlichen Dinger. Vier, das kleine hellgraue Flanellkostüm, es ist einfach bulubulu, in dem werde ich mich wohl fühlen. Fünf, das anthrazitgraue Flanellkostüm, nur weil ich ein Feigling bin, völlig idiotisch dieser Winterstoff, hoffen wir, dass es ein paar kühle Tage geben wird. Der Kuss des ersten Abends, mein Kuss auf seine Hand, hat die Kurve unserer Beziehung vorgezeichnet. Im Grunde bin ich seine Sklavin. Ich hasse mich dafür, ihn so zu lieben, aber es ist köstlich. Und jetzt die Kleider, die ich bestellt habe, um mir die Abbestellung des Goldlamé-Kleids verzeihen zu lassen. Sechs oder sieben, das schwarze Samtkleid, keine Meinung, mal sehen. Sieben oder acht,
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