Die Schöne des Herrn (German Edition)
diese blöden Eingänge abwarten zu müssen, von denen die Leute hier immer redeten. Zumal sie im September ja auch an ihre Wintergarderobe denken musste. Und außerdem … Aber sie verfolgte ihren Gedanken nicht weiter, der sich bereits verflüchtigte.
»Die Hälfte, Madame?«, wiederholt der junge Mann ungeduldig.
»Ein Viertel«, sagte die vernünftige junge Frau.
»Also dann liquidieren wir die American Electric, die Florida Power and Light, die Campbell Soup und vielleicht auch die Corn Products, von denen wir nur sehr wenige haben. Einverstanden, Madame? (Seine Stimme klang kriegerisch, fast fröhlich. Der Kassierer entfernte sich, um dem Gemetzel nicht beiwohnen zu müssen.) Wir liquidieren ebenfalls die Nestlé, die Ciba, die Eastman Kodak, die Imperial Chemical und die International Nickel! (Seine Stimme klang selig berauscht, wie im Siegesgesang.) Einverstanden, Madame?«
»Ja, absolut, vielen Dank. Und was muss ich jetzt tun?«
»Nur die Verkaufsorder unterschreiben, die ich für Sie ausfüllen werde. Limitverkauf oder Verkauf zum besten Kurs?«
»Was ist vorteilhafter, Monsieur?«
»Das kommt darauf an, Madame. Je nachdem, ob Sie es eilig haben oder nicht.« (Sie verstand nicht, aber zum besten Kurs schien ihr sicherer.)
»Zum besten Kurs, das ist mir lieber.«
»Dann werden wir gleichzeitig den südamerikanischen Kleinkram und die Donau-Save-Adria abstoßen. Einverstanden, Madame?«
Kurz darauf unterschrieb sie die Order, ein bisschen verärgert, weil sie ihre Unterschrift verpatzt hatte. Dann nahm sie den Vorschuss von zehntausend Franken entgegen, steckte das Geld, ohne es zu zählen, in ihre Handtasche, was den Kassierer noch mehr betrübte, und ging hinaus. In der Rue de la Cité verlangsamte sie den Schritt und lächelte. Um neun Uhr Polarstern. Heute Abend um neun sind wir zusammen.
LXI
Zwei Tage darauf überfiel sie um vier Uhr nachmittags in der Konditorei, in der sie sich für eine lange Anprobe bei Volkmaar belohnte, kaum hatte sie den ersten Schluck Tee getrunken, schlagartig eine schreckliche Gewissheit. Die Jacken der beiden Kostüme, die sie eben anprobiert hatte, waren zu eng! Mein Gott, ausgerechnet die Flanellkostüme, die ihr am wichtigsten waren! Sie ließ Tee und Toast stehen, sprang auf, stieß dabei ihre Tasse um, warf ein Fünffrankenstück auf den Tisch und eilte zum Ort ihrer Qualen zurück, wo die beiden noch formlosen Jacken erneut anprobiert, ausgezogen, wieder angezogen, mit dem Modell verglichen und ausgiebig diskutiert wurden. Das Ergebnis dieses verworrenen Hin und Hers war jener halbherzige Entschluss, den die Couturiers nur zu oft hörten.
»Also, machen Sie mir diese beiden Jacken weder zu eng noch zu weit. (Sie sagte es mit größtmöglicher Deutlichkeit, um nur ja richtig verstanden zu werden. Sie war so mit ihrer Sache beschäftigt und legte so viel Eifer und Ernsthaftigkeit in diese lächerliche Angelegenheit, wie sie es in ihrer Kindheit getan hatte, wenn sie am Strand mit leidenschaftlicher Hingabe und gerunzelter Stirn ihre Sandburgen gebaut hatte.) Ja, weder zu eng noch zu weit. Aber doch eher etwas weit, aber natürlich nicht zu weit, schon tailliert, aber nicht zu eng, damit es nicht wie eingeschnürt aussieht.«
»Bequem, aber mit perfektem Sitz«, sagte Volkmaar, der sogleich mit einem liebevollen Blick belohnt wurde.
»Und was die Länge angeht, so lassen wir es, wie ich gesagt habe, zwei Zentimeter weniger als das Modell. Ich frage mich allerdings, ob anderthalb Zentimeter nicht besser wären. Ja, ich glaube. Warten Sie, ich will noch einmal sehen, um absolut sicher zu sein.«
Sie probierte erneut die Jacke des Modells an, schlug den unteren Teil um anderthalb Zentimeter um, schloss die Augen, um ihrem Blick jungfräuliche Frische zu geben, öffnete sie wieder, machte ein paar Schritte auf den dreiteiligen Spiegel zu und lächelte ein wenig, um natürlich zu wirken, um in dieser Jacke so zu sein, wie sie im Leben wäre, wenn sie vor ihm stünde. Dann trat sie ein paar Meter zurück, näherte sich erneut dem Spiegel mit natürlichem Schritt, blickte auf ihre Füße, stellte sich vor, sie mache einem Spaziergang, blickte dann abrupt auf, um einen blitzschnellen und unwiderlegbaren Eindruck zu bekommen, den Schock der Wahrheit, und bemühte sich zu vergessen, dass die Jacke unten nur umgeschlagen war, bemühte sich, nicht daran zu denken, dass es dieser provisorischen Verkürzung an Exaktheit in der Linie fehlte, und sich vorzustellen, sie
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