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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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des Goldlamé-Kleids ändern lassen.«
    Vor der Baldachintür des Modehauses verließ sie der Mut hineinzugehen. Sie hatte entschieden Angst vor diesem Handelsvolk, ordinäre Menschen, die einen nicht liebten und einen abschätzten. Nein, sie hatte nicht den Mut, sich dieser lächelnden und falschen Bande zu stellen, diesem Volkmaar, der es für elegant hielt, »liebe gnädige Frau« zu sagen, diesen geschminkten Verkäuferinnen, die sie insgeheim kritisierten, dieser Chloé mit ihrem Siegelring am kleinen Finger, die so vornehm tat, und diesem ganzen Pöbel der Mannequins, die sich lasziv gaben und sich wie Prinzessinnen aufspielten und bestimmt Portierstöchter waren. Lieber telefonieren. Wenn man nicht gesehen wird, hat man mehr Mut.
    In der Telefonkabine kritzelte sie das, was sie ihnen sagen wollte, in Stichworten auf den Umschlag des letzten Briefs, den ihr Mann ihr aus Jerusalem geschickt hatte und den sie wie die anderen noch nicht geöffnet hatte. Verdammt, ich muss sie öffnen oder, wenn ich nicht den Mut dazu habe, an die Adresse auf der Rückseite dieses Umschlags telegrafieren und ihm sagen, vielen Dank Briefe sehr interessant immer wieder gelesen und so weiter. Schluss jetzt, das hat bis heute Abend Zeit. Nachdem sie den Umschlag vor sich hingelegt hatte, wählte sie die Nummer, nieste, schnitt eine Grimasse und hörte die Stimme Chloés.
    »Madame, hier ist … (Peinlich zu sagen, dass sie Madame Adrien Deume war.) Ich war vorhin bei Ihnen. Ich wollte Ihnen nur sagen … (Sie bückte sich, um den Umschlag mit den Stichworten aufzuheben, der beim Niesen heruntergefallen war, aber es gelang ihr nicht.) Also, ich wollte nur sagen, dass ich vorbeikomme. (Sie konnte unmöglich sagen, dass sie von gegenüber telefonierte.) Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«
    Sie hängte sofort auf, um die Antwort nicht zu hören, und irrte durch die kleinen Seitenstraßen. In der dreizehnten Minute machte sie kehrt, entschlossen, energisch aufzutreten. Mut, man erreicht nur etwas im Leben, wenn man nichts auf die Meinung der anderen gibt und alles auf seinem Weg niederwalzt. Ja, ich muss imstande sein, mich durchzusetzen, sagte sie sich, als der betresste Portier ihr die Tür öffnete. Aber kaum hatte sie den nach Parfum duftenden und gedämpft beleuchteten Salon betreten, spürte sie die Ungeheuerlichkeit ihrer beiden Forderungen. Um Vergebung zu erlangen und Volkmaar zu besänftigen, sagte sie ihm zunächst, sie wolle noch ein Kostüm bestellen. Er verneigte sich vor dieser einträglichen Kundin.
    »Aber bevor ich mich für dieses Kostüm entscheide«, sagte sie und bekam einen roten Kopf, »wollte ich noch um eine kleine Änderung an dem Goldlamé-Kleid bitten. Ja, ich hätte es eigentlich lieber nicht dekolletiert, sondern geschlossen bis zum Hals.«
    »Also halsnah«, sagte Volkmaar mit Begräbnismiene. »Sehr gut, liebe gnädige Frau, wir werden es Ihnen halsnah machen. Und das Kostüm, was für eine Art von Stoff wollen wir uns anschauen?«
    »Ich habe noch eine Bitte, Monsieur. Ein unvorhergesehener Umstand zwingt mich, meine Reise vorzuverlegen und schon am Freitagabend abzufahren. (Volkmaar verzog keine Miene.) Man hat es mir eben erst mitgeteilt. Daher müsste ich also die bestellten Sachen schon am Freitag, dem 24., am Vormittag haben, jedenfalls vor zwölf, damit ich meine Koffer nicht im allerletzten Moment packen muss.«
    »Ah ja?«, war alles, was der Couturier sagte, dem der alte Trick mit der Reise nur allzu vertraut war.
    »Natürlich ist es etwas knapp«, sagte sie, furchtsam lächelnd.
    »Sehr knapp, gnädige Frau.«
    »Es ist eben ein Fall von höherer Gewalt.«
    »Wirklich sehr knapp«, sagte Volkmaar, ganz sadistische Sphinx.
    »Ich … (Sagen, ich werde dafür bezahlen? Nein, das könnte ihn kränken.) Ich übernehme gern die zusätzlichen Kosten, falls das die Dinge erleichtern könnte.«
    Er tat, als habe er nichts gehört, schloss einen Augenblick die Augen, als müsste er intensiv nachdenken, und ging schweigend im Salon auf und ab, während sie ihn angsterfüllt anblickte.
    »Es wird eine Tour de force werden, liebe gnädige Frau, aber wir werden es schaffen, auch wenn das Atelier die ganze Nacht durcharbeiten muss. Also einverstanden, alles wird am Freitag, dem 24., vor zwölf Uhr fertig sein. Wegen der zusätzlichen Kosten wenden Sie sich an Mademoiselle Chloé.«
    Sie murmelte, sie sei ihm wirklich sehr dankbar. Und dann brachte sie, seinem Blick ausweichend und schwer atmend,

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