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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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das Sportliche, zwölf Holzknöpfe auf ganzer Länge vorne und hinten, nicht schlecht. Acht oder neun, das Geschnürte aus Rohleinen, ganz bezaubernd, eine Art sehr feines Segeltuch. Ist doch schick, wie ein Segelboot angezogen zu sein. Natürlich habe ich auch Blödsinn gemacht, es ist immer Müll dabei. Also, wie viele Kostüme? Acht oder neun? Ist ja egal, das sehen wir dann bei den Anproben. Eigentlich lächerlich, diese ganze Arbeit, um ihm zu gefallen. Gefallen, immer gefallen, wie kann man nur so tief sinken. Morgen ganz sicher Adriens Briefe öffnen. Viertel nach zwölf. Wunderbar, wieder ein Tag vorbei, nur noch zehn Tage zu warten. Ja, sie sind das Volk Gottes. Soll ich konvertieren? Jedenfalls muss ich ihn für das Wort um Verzeihung bitten, und zwar schriftlich, denn mündlich wäre es mir zu peinlich. Geliebter, kommen Sie«, seufzte sie, die Decke zurückschlagend. »Geliebter, schauen Sie, wie ich Ihnen gehöre und wie bereit ich bin.«

LX

    Am nächsten Vormittag trat sie in das Patrizierhaus der Herren Saladin, de Chapeaurouge und Co., Bankiers der Aubles seit über zweihundert Jahren. Nach ein paar netten Worten mit dem alten Portier, den sie gern mochte, weil er einen zahmen Raben bei sich hielt, der mit besonderer Vorliebe Milchkaffee trank, ging sie zum Schalter des Kassierers, der bei ihrem Eintritt sofort das Konto der Nichte einer so lieben verstorbenen Kundin überflogen hatte.
    »Wie viel kann ich abheben, Monsieur?«
    »Genau viertausend Franken, Madame. Vor dem ersten Oktober sind keine weiteren Einnahmen zu erwarten.«
    »Das trifft sich gut«, sagte sie, ihre Zähne zeigend. »Lustig, weil ich nämlich eine Anzahlung von genau viertausend Franken leisten muss.«
    Sie unterschrieb die Quittung, nahm die Geldscheine, fragte nach dem Wohlergehen des Raben, hörte sich die Antwort mit einem bezauberten Lächeln an und ging hinaus, während der Kassierer mit den langen Ohren die tröstende Nelke am Revers seines Jacketts zurechtrückte, die er jeden Tag erneuerte und die ihm die Gewissheit gab, ein Gentleman zu sein.
    Draußen auf der Straße sagte sie sich, es sei doch eigentlich unsinnig, nur die Anzahlung zu leisten, da sie die Gesamtsumme ihrer Bestellung ja bereits kannte. Achttausendfünfhundert Franken insgesamt, hatte Chloé nach den letzten Bestellungen gesagt. Warum nicht gleich das Ganze bezahlen und die Sorge los sein? Ja, zu den Herren de Lulle gehen, wo sie mehr Aktien haben musste als bei Saladin. Also noch einmal viertausendfünfhundert Franken abheben? Nein, lieber mehr, denn bis zur Rückkehr ihres Herrn waren ja noch andere Besorgungen zu machen.
    »Mindestens fünfzehntausend Franken,
to be on the safe side

    Während sie die alte Gasse hinaufstieg, lächelte sie in der Erinnerung an eine Bemerkung Tantléries, die sie wiederholt zu Onkel Gri gemacht hatte. »Gewiss, Agrippa, ich habe volles Vertrauen in die Herren de Lulle, die aus guter Familie sind und übrigens seit Generationen dem Kirchenrat angehören, aber ich fühle mich nun einmal nicht wohl in ihrer Bank, die mir zu modern und zu großspurig ist, sogar einen Fahrstuhl haben sie, tss, ich bitte dich.« Die liebe Tantlérie, so wenig mitteilsam in ihrem Leben und so zärtlich in ihrem Testament. Sie erinnerte sich an den Satz: »Mit Ausnahme meiner Villa in Champel, die ich meinem lieben Bruder Agrippa vermache, hinterlasse ich mein Vermögen meiner geliebten Nichte Ariane, geborene d’Auble, die ich dem Schutz des Allmächtigen empfehle.« Ariane, geborene d’Auble, ja, so hatte sie geschrieben, die schreckliche Tantlérie, die sich noch in ihrem Testament nicht hatte entschließen können, diese erbärmliche Ehe anzuerkennen.
    Vor dem Bankhaus de Lulle blieb sie stehen, zog das am Morgen angekommene Telegramm hervor und blickte es an, ohne es zu lesen. Jetzt war alles klar. Am 25. würde er den Zug nehmen, wie sie ihn gebeten hatte. Um neunzehn Uhr zweiundzwanzig würde er ankommen und um einundzwanzig Uhr bei ihr sein. Hosianna! Und bis dahin jeden Abend Rendezvous beim Polarstern, ebenfalls um einundzwanzig Uhr. Nein, nicht noch einmal das Telegramm lesen, nicht jetzt schon allen Saft herauspressen. Heute Abend im Bett, nach dem Polarstern, würde sie beide lesen, das von gestern und das von heute früh.
    Sie runzelte die Stirn, als sie in das stille Bankhaus de Lulle trat. Ja, morgen ganz bestimmt Adriens Briefe öffnen und alle lesen. Aber jetzt genug, erst einmal glücklich sein. Sie lächelte dem

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