Die Schöne des Herrn (German Edition)
Sklavenmentalität, wenn du so willst. Ich werde gefährlich, man muss mich schonen! Also, wir redeten etwa zehn Minuten lang, zehn Minuten! Dieses schwarze Monokel, ich habe mich gefragt, ob ich es ansprechen sollte, ihn fragen, ob er Schmerzen im Auge habe. Aber ich habe lieber nichts gesagt. Glaubst du, ich habe gut daran getan?«
»Ja.«
»Ja, das glaube ich auch, es wäre ein bisschen zu plump vertraulich gewesen. Am Ende des Gesprächs ist er aufgestanden und hat mir die Hand gedrückt, wirklich ein feiner Kerl, weißt du. War doch nett von ihm, dass er sich die Zeit genommen hat, um mit mir zu reden, oder? Und dabei war er unterwegs zum G. S., der ihn zu sich gerufen hatte, stell dir vor! Er hat tatsächlich Sir John meinetwegen warten lassen! Was sagst du dazu?«
»Das ist sehr gut.«
»Das will ich meinen! Stell dir vor, eine Unterhaltung mit einem hohen Tier, das sonst Arm in Arm mit Sir John herumspaziert! Und dazu noch ein ganz inoffizielles Gespräch, nicht etwa im Büro des U.G.S., sondern auf dem Flur, wo wir beide in den gleichen Sesseln saßen, also ein Privatgespräch, ein Gespräch unter Gleichgestellten! Wenn das nicht der Beginn persönlicher Beziehungen ist! Ach, und die Hauptsache hätte ich fast vergessen, stell dir vor, als er aufgestanden ist, hat er mir auf die Schulter geklopft, oder eher auf den Rücken, na ja, fast auf die Schulter, aber auf den Rücken, ein kräftiger Schlag, weißt du, so richtig herzlich. Das fand ich eigentlich am nettesten, es war so intim, spontan, kameradschaftlich. Immerhin ist er jemand, der in Frankreich Minister war, Commandeur der Ehrenlegion, stell dir das vor, nach Sir John der wichtigste Mann im Sekretariat! Du wirst mir sagen, weniger wichtig als der stellvertretende Generalsekretär, aber das stimmt nicht, wichtiger als der stellvertretende Generalsekretär, der zwar einen höheren Rang einnimmt, aber unter uns gesagt … (Ein argwöhnischer Blick in die Runde, und dann ganz leise:) Unter uns gesagt, ohne jeden Einfluss, denn eine Menge Papiere legt man ihm gar nicht erst vor, und er protestiert nie, stell dir das vor! (Er blickte sie an. Ja, der Schlag auf die Schulter hatte sie beeindruckt.) Das bleibt aber unter uns, nicht wahr? Und natürlich auch viel wichtiger als die beiden anderen Untergeneralsekretäre, die neben ihm ein Dreck sind. Der Beweis, wenn man U.G.S. sagt, weiß man sofort, dass man von ihm spricht. Und dann seine Vergünstigungen! Er ist der einzige Untergeneralsekretär, der einen Kabinettschef hat! Stell dir das vor! (Noch leiser:) Unter uns gesagt, in Wirklichkeit ist er sogar noch wichtiger als der Generalsekretär. Jawohl! Denn Sir John denkt nur an Golf und wieder an Golf und vielleicht noch an seine Kamingarnitur, und sagt ja und amen zu allem, was der U.G.S. beschließt! Jetzt ist dir wohl die Bedeutung dieses Schlags auf die Schulter klar. (Er lächelte verträumt, fast mädchenhaft.) Und außerdem, ich weiß nicht, dieser Mann hat einen wahnsinnigen Charme. Ein so gewinnendes Lächeln! Und dieser leidenschaftliche, durchdringende Blick. Ich verstehe, dass die Frauen vor ihm dahinschmelzen. Selbst dieses schwarze Monokel steht ihm ausgezeichnet, es verleiht ihm etwas, ich weiß nicht, so etwas Romantisches. Und dieser Reitdress! Ein richtiger Edelmann. Natürlich kann es sich nicht jeder im Sekretariat leisten, zu Pferd zu kommen. Wenn ein … (Beinahe hätte er »kleiner Beamter« gesagt, aber er wollte sich nicht herabsetzen.) … weniger hoher Beamter es täte, würde es einen Skandal geben. Stell dir mal vor, Vauvau würde eines Morgens in Reitstiefeln antraben! Aber beim U.G.S. findet man es ganz natürlich. Siebzigtausend Goldeier, plus Repräsentationsspesen! Er soll ein großes Luxusappartement im Hotel Ritz haben, mit zwei Salons. Übrigens, bevor ich es vergesse, ich habe Kanakis natürlich nichts von meiner Unterhaltung mit dem U.G.S. erzählt, man kann ja nie wissen. Ich sage dir das für den Fall, dass du ihm einmal begegnen solltest. Zwei Salons, stell dir vor! Das muss eine Hotelrechnung geben! Nun ja, er ist eben ein Grandseigneur, sehr vornehm, sehr elegant, ganz Weltmann. Aber darum geht es eigentlich gar nicht. Er ist ein kolossal intelligenter Mensch. Und dann hat er diesen unbeschreiblichen Charme, weißt du, so etwas Sanftes und zugleich ein bisschen Grausames, es ist ja bekannt, dass Sir John ihn geradezu anbetet, man sieht sie oft Arm in Arm diskutieren, er ist ganz ungezwungen, es scheint, dass er
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