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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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ihn ganz einfach John nennt, kannst du dir das vorstellen? Und man sagt auch, Lady Cheyne sei noch vernarrter in ihn! Übrigens gilt er als Don Juan, alle Mädchen im Sekretariat geraten in Ekstase. Und die Gräfin Kanyo, die Frau des ungarischen Gesandten in Bern, der vor zwei Jahren starb, ist seine Mätresse, sie ist geradezu verrückt nach ihm, das ist bekannt. Kanakis hat sie einmal hier gesehen, wie sie dem U.G.S. die Hand küsste! Kannst du dir das vorstellen? Eine sehr kultivierte Frau, wie es scheint. Sehr schön, noch jung, zweiunddreißig, dreiunddreißig, sehr elegant und angeblich auch sehr reich«, schloss er stolz. (Sie fuhr ihm mit dem Zeigefinger über die Wange.) »Warum tust du das?«
    »Weil du niedlich bist.«
    »Aha«, sagte er leicht irritiert.
    Niedlich, das gefiel ihm nicht besonders. Er zog es vor, der energische Mann zu sein, Pfeife im Mund, kalte Augen, ein harter Bursche. Um zu zeigen, dass er gar nicht so niedlich war, schob er das Kinn vor. Diese Pose des Mannes, der entschlossen war, gefährlich zu leben, nahm er jedes Mal, wenn er daran dachte, vor seiner Frau ein. Aber er dachte nicht oft daran.
    (Wenn auch der starke, schrecklich männliche und waghalsige Mann gemeinhin das Ideal von Adrien Deume war, so gab es durchaus noch andere sehr verschiedene, einander widersprechende und auswechselbare Archetypen. So konnte er an einem Tag von Huxley geblendet sein und versuchen, den etwas effeminierten, kühl höflichen, sehr mondänen Diplomaten zu spielen, den er dann für das Meisterwerk der Zivilisation hielt, um am nächsten Tag nach der Lektüre der Biografie eines großen Schriftstellers völlig umgewandelt zu sein. Dann wurde er je nachdem ein Mensch von wortgewaltiger Naturkraft, von resignierter Ironie oder von gequälter Verletzlichkeit, aber das dauerte nie länger als ein paar Stunden. Dann vergaß er es und wurde wieder, was er schon immer gewesen war, der kleine Deume.)
    Das allzu angespannte Diktatorenkinn schmerzte ihn im Nacken, er gab sich wieder ein friedlicheres Aussehen, blickte in Erwartung ihrer Reaktion seine Frau an und lechzte geradezu danach, mit ihr das wunderbare Ereignis zu besprechen, lange darüber zu diskutieren und gemeinsam die neueröffneten Perspektiven zu ergründen.
    »Also, Liebling, was sagst du dazu?«
    »Nun ja, es ist ermutigend«, sagte sie nach einigem Schweigen.
    »Siehst du.« Er lächelte dankbar, in Erwartung der weiteren Entwicklungen. »Du sagst es. Ganz recht, ein ermutigendes Gespräch. Ich sage nicht, dass wir bereits bei persönlichen Beziehungen angelangt sind, aber es ist immerhin der Beginn von etwas, das zu persönlichen Beziehungen führen kann. Besonders, weil er mir auf die Schulter geklopft hat. (Er zwinkerte, bemüht, zu einer subtilen, grundsätzlichen Definition dieses Schulterklopfens zu gelangen.) Diese Geste war, wie soll ich sagen, ein Zeichen von Intimität, von Sympathie. Ein menschlicher Kontakt, das war es. Besonders, da er recht kräftig zuschlug, weißt du, ich wäre fast umgefallen. Aber das alles kann für meine Zukunft von höchster Bedeutung sein, verstehst du?«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Hör zu, Liebling, ich muss ernsthaft mit dir reden. (Er zündete sich die Pfeife an, um das Thema richtig einzuleiten, dramatische Spannung zu schaffen, und vor allem, um sich wichtig zu fühlen und überzeugend reden zu können.) Liebling, ich habe dir etwas ziemlich Wichtiges zu sagen. (Dieses »ziemlich« sollte den starken Mann andeuten, der sich vor sprachlichen Exzessen hütet.) Also, letzte Nacht habe ich nicht viel geschlafen und im Bett nachgedacht. Ich wollte eigentlich erst heute Abend mit dir darüber reden, aber ich kann es ebenso gut schon jetzt tun, weil es mir keine Ruhe lässt. Also, meine Idee ist folgende: Da Papi und Mammi ab nächsten Freitag für einen Monat verreisen, sollten wir die Gelegenheit wahrnehmen und ein wirkliches gesellschaftliches Leben beginnen, nicht so ein zufälliges wie das, was wir bis jetzt geführt haben, sondern ein von Grund auf geplantes, reiflich durchdachtes, mit einem schriftlichen Plan der Diners und der Cocktailempfänge. Ich habe dir einiges dazu zu sagen, da ich beabsichtige, mich von Papi und Mammi zu trennen, um Ellbogenfreiheit zu haben. Darauf und auf ein paar große Diners, an die ich denke, werde ich später noch kommen. Reden wir zuerst von den Cocktailempfängen, die den dringlichsten Teil des Problems darstellen. Ich möchte gleich heute Abend eine Liste der

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