Die Schöne des Herrn (German Edition)
Kino, Roulette, Pferderennen, Tontaubenschießen, Tanztees, Kleiderkaufen, Geschenke.
Und dann, am Ende dieser Ausflüge nach Cannes, Nizza oder Monte Carlo, stets das zum Kotzen langweilige raffinierte Abendessen, und man musste reden, sich neue Themen ausdenken, doch es gab keine mehr. Alle Gesprächsthemen Arianes kannte er auswendig, die auserlesene Seele der Katze Mousson, die bezaubernde Persönlichkeit des Käuzchens Magali, all die gefährlichen Kindheitserinnerungen, das kleine Lied, das sie sich ausgedacht hatte, der Rhythmus der Dachrinne und die Tropfen, die auf das orangefarbene Zelt fielen, die Ausflüge nach Annemasse zu den Katholiken, die Theaterszenen mit ihrer Schwester auf dem Dachboden und alles Übrige, und immer mit den gleichen Worten. Das konnte man sich doch nicht ewig immer wieder anhören. Also was? Also machte man Bemerkungen über die Gäste im Restaurant.
Tja, da man mit niemandem mehr verkehrte und nicht mehr über Freunde reden konnte, was für Gesellschaftsmenschen immer eine angenehme Beschäftigung war, und auch nichts über berufliche Dinge erzählen konnte, denn man war ja, wie die Forbes gesagt hatte, mit Schimpf und Schande gefeuert worden, musste man eben einen anderen Gesprächsstoff finden, da man der Gattung verliebter Säugetiere angehörte, die sich der artikulierten Sprache bedienten. Und so redete man denn über die unbekannten Tischgäste, versuchte ihren Beruf zu erraten, ihren Charakter, ihre gegenseitigen Gefühle. Trauriger Zeitvertreib der Einsamen, Spione und Psychologen wider Willen.
Und nachdem man sich ausgiebig über diese begehrten, unnahbaren und verachteten Unbekannten ausgelassen hatte, musste man sich etwas Neues einfallen lassen. Also sprach man über das zuletzt gekaufte Kleid oder die Personen der Romane, die sie ihm abends vorlas. War sie sich ihrer Tragödie bewusst? Nein, sie war eine Frau, die in der festen Überzeugung ihrer Liebe lebte.
Doch heute hatte er nicht den Mut, sie mit Ersatz zu füttern. Also nicht nach Cannes, Migräne vortäuschen und in seinem Zimmer friedlich Däumchen drehen bis zum Abendessen. Nein, unmöglich, sie allein in ihrem Zimmer Trübsal blasen zu lassen. Doch was sollte er ihr sagen, wenn sie jetzt gleich erschien, edel, liebend und parfümiert und so voller guten Willens? Nichts hatte er ihr zu sagen. Oh, wenn er Briefträger wäre und ihr von seiner Runde erzählen könnte! Oder ein Gendarm, der von einer Prügelei erzählen könnte! Das wäre wenigstens etwas Lebendiges, Echtes, Handfestes. Oder sehen könnte, wie ihr Gesicht aufleuchtete, weil sie heute Abend bei einem Wachtmeister oder Briefträger eingeladen waren. Oh, wenn man eine Frau doch allein mit Zärtlichkeit glücklich machen könnte! Aber nein, er war für die Leidenschaft engagiert. Ihr Kinder machen, um ihr ein Ziel, das außerhalb von ihm existierte, und einen Zeitvertreib zu geben? Nein, denn Kinder setzten Ehe voraus, und Ehe setzte Leben in der Gesellschaft voraus. Er aber war ein Verbannter, ein Ausgestoßener. Und außerdem konnten sie gar nicht heiraten, denn sie hatte ja schon einen Mann. Und den hatte sie schließlich für ein herrliches Leben verlassen und nicht, um zu gebären. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als den leidenschaftlichen Helden zu spielen.
»Herein.«
Es war der errötende Paolo, der überraschend in weißem Jackett und schwarzer Krawatte erschien und, nachdem er beinahe über die Schwelle gestürzt wäre, fragte, ob er abräumen dürfe. Vielen Dank, Monsieur. Nein, Monsieur, seit heute früh sei er nicht mehr Liftboy. Im Fahrstuhl vertrete ihn jetzt ein Neger. Jawohl, Monsieur, er sei befördert worden, Gott sei Dank. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und antwortete auf weitere Fragen. Seine Pläne? Sich etwas zusammensparen und dann in sein Heimatdorf San Bernardo delle Acque zurückkehren, dort ein wenig Land kaufen und sich verheiraten, wenn es Gott gefiele. Er dankte abermals und schickte sich an zu gehen. Aber Solal zog einen Ring von seinem Finger, dessen großer Brillant weiß und blau funkelte, reichte ihn dem völlig Verdutzten, umarmte ihn und schob ihn auf den Flur hinaus.
»Paolo sein.«
Ja, er beneidete den kleinen Esel, den man nicht entlassen hatte, der es geschafft hatte, befördert zu werden, der eine Staatsangehörigkeit besaß und der bald verheiratet sein würde. Glücklicher Paolo in San Bernardo, geschätzt von seinen Mitbürgern, vielleicht einmal Bürgermeister von San
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