Die Schöne des Herrn (German Edition)
französische Staatsbürgerschaft per im
Journal officiel
, dem Amtsblatt, veröffentlichtem Dekret aberkannt worden. Also auch noch ein Eingebürgerter, empörte sich Madame de Sabran, das sei ja die Höhe! Aber wenigstens einmal habe die Regierung der Republik korrekt gehandelt, und sie scheue sich nicht, das zu sagen, obwohl sie Tochter, Gemahlin und Mutter von Offizieren sei! Ohne Staatsbürgerschaft und ohne Beruf sei dieser Kerl gesellschaftlich tot, schloss der ehemalige Kabinettschef und Protegé Solals und fuhr sich ein letztes Mal mit der Zunge über die Lippe.
Nach diesen Worten, und da er für männliche Schönheit sehr empfänglich war, was die Forbes geflissentlich ignorierten, weil es noch nie zu einem Skandal geführt hatte, ließ er verstohlen einen prüfenden Blick zu einem bezaubernden Jüngling wandern, der gerade mit dem Tennisschläger unter dem Arm in die Halle getreten war. Um das Schweigen, das eingetreten war, zu durchbrechen, erwähnte er den kürzlichen Appell des Physikers Einstein zugunsten der deutschen Israeliten. Madame de Sabran war empört.
»Natürlich wieder das alte Lied von den Verfolgungen! Das ist alles stark übertrieben. Der Reichskanzler Hitler hat sie nur in ihre Schranken gewiesen, das ist alles. Und was verlangt dieser Herr?«
»Dass die verschiedenen Länder diesen Personen ihre Grenzen öffnen, damit sie Deutschland verlassen können.«
»Das erstaunt mich nicht«, sagte Madame de Sabran. »Sie stecken ja alle unter einer Decke! Wirklich reizend, was diese Leutchen sich herausnehmen. Sie glauben, sie könnten sich alles erlauben!«
»Dieser Appell wurde übrigens von den Großmächten sehr kühl aufgenommen«, sagte der charmante Bob lächelnd.
»Das will ich hoffen!«, rief Madame de Sabran. »Das hätte uns noch gefehlt, dass all die Glaubensgenossen von Dreyfus sich bei uns häuslich niederlassen! Schließlich sind sie Deutsche und sollen gefälligst in Deutschland bleiben. Und wenn man sie dort aus der Gesellschaft ausschließt, so ist das nur recht und billig.«
Nach einem weiteren Schweigen tauschte man lächelnd kultivierte Bemerkungen aus und sprach natürlich über Musik, was Madame de Sabran erlaubte, endlich eine Herzogin zu erwähnen, eine liebe Freundin aus Kindheitstagen und mit Leib und Seele Musikerin, mit der sie im nächsten Frühjahr eine Kreuzfahrt unternehmen werde, worauf sie sich schon freue. Die Forbes konterten mit einer Kreuzfahrt in Gesellschaft des unvermeidlichen Sir Alfred Tucker und der Viscountess Layton, was wiederum Huxley gestattete zu erwähnen, er sei der Nichte der Letztgenannten bei einer ganz reizenden und intelligenten Königin im Exil begegnet, die er häufig auf ihrem bezaubernden Landsitz in Vevey besuche, wofür er einen aufmerksamen Blick von Madame de Sabran erntete, die sagte, sie hoffe ihn auf ihrem Wohltätigkeitsball zu sehen, und bei dieser Gelegenheit ganz selbstverständlich und mit Bewunderung einen Satz von Tolstoi über die moralische Freude des Liebens zitierte, was dem generösen Generalkonsul die Gelegenheit gab, ebenfalls seinen Senf dazuzugeben und die Würde der menschlichen Person zu erwähnen.
Woraufhin die edlen Seelen nun endgültig zum Höhenflug ansetzten. Man fütterte sich mit wohlweislich verborgen gehaltenen Realitäten, sprach über so manche eines zukünftigen Lebens im Jenseits, und den beiden Damen schien besonders viel daran zu liegen, dass ihre Seelen ewig weiterlebten. Das Ganze mit ausgiebigem Entblößen von Schneide- und Eckzähnen, denn es war angenehm, sich unter Menschen des gleichen Milieus zu fühlen, welche die gleichen Ziele und das gleiche Ideal hatten.
***
In seinem Zimmer ging er unruhig mit der Majestät der Einsamen auf und ab, blieb von Zeit zu Zeit vor dem Schrankspiegel stehen, fuhr sich mit der Hand über die Stirn und nahm sein Hinundherwandern wieder auf, wobei er unaufhörlich den Ehemann mit der Waffe an der Schläfe vor sich sah, den armen Teufel, der seinetwegen gelitten hatte, so sehr gelitten hatte, dass er dieses Leben hatte verlassen wollen, er, der kleine Deume, der so versessen darauf gewesen war, beruflich voranzukommen. Ja, er hatte sich an ihm versündigt, aber er war bestraft worden, auf ewig ein Paria und lebendig in die Liebe eingemauert. Der kleine Deume dagegen umgeben von seinesgleichen, gut integriert, aufgefangen, zur Zeit auf Dienstreise in Afrika, mit einem Tropenhelm, wichtig und offiziell, mit stolz vorgestrecktem Bauch. Ich freue
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