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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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küsste die Augen seiner gehorsamen Dienerin, die ihm so ehrlich zustimmte, deren Unterbewusstsein jedoch entsetzt war. Er musste einen Ausgleich schaffen. Er beugte sich über sie, und ihre Lippen berührten sich im Dunkel. Man brauchte also nicht das Hotel zu wechseln, die Forbes waren ausgeschaltet, und andere Bekanntschaften würde sie nicht mehr machen, sagte er sich während dieses Kusses, den er in Ermangelung von Gesprächsthemen stürmisch in die Länge zog.
    Ja, sie von jetzt an nach allen Regeln der Kunst ablenken, sie verwirren. Gleich morgen nach Cannes, und sie dort mit Gesellschaftsersatz überhäufen. Ihr teure Kleider kaufen, Haute-Couture-Kleider. Dann Mittagessen im Moscou. Auch Kaviar und Champagner sind Gesellschaftsersatz. Während des Mittagessens im Moscou die gekauften Kleider kommentieren. Ihr anschließend Schmuck kaufen. Danach Theater oder Kino. Dann Roulette im Kasino. Schließlich reiten oder Motorboot fahren.
    Das waren seine Gedanken, während seine Lippen die Lippen der Unschuldigen marterten. Und auch Reisen, Kreuzfahrten, all das armselige Glück, das ich ihr bieten kann, dachte er während des endlosen Kusses. Ja, er würde alles tun, was in seiner Macht stünde, um ihr ihre Lepra zu verheimlichen, er versprach es ihr in seiner Seele. Ja, alles, was in seiner Macht stünde, alles, um die Wüste ihrer Liebe zum Blühen zu bringen, er versprach es ihr aus tiefster Seele und presste seine Lippen auf die Lippen derjenigen, die er beschützen wollte. Aber wie lange wäre er dazu in der Lage? Vorausgesetzt, ich bin immer der einzige Unglückliche von uns beiden, dachte er.
    »Zieh mich aus«, sagte sie. »Ich liebe es, wenn du mich ausziehst. Aber mach das Licht an. Ich liebe es, wenn du mich siehst.«
    Er machte das Licht an. Er zog sie aus. Er sah. Ja, sie nehmen, ihr das kleine Glück schenken, genommen zu werden, das erbärmliche kleine Glück, das ein Leprakranker seiner Leprakranken noch zu geben vermag, dachte er, sein schönes Gesicht über dem schönen verzückten Gesicht der lächelnden Bedauernswerten. Oh, in was hatte er sie da nur hineingezogen? Mein Töchterchen, mein Kind, sagte er in seiner Seele zu ihr, während er sie traurig wie eine Frau behandelte.

LXXXVII

    Am übernächsten Tag saßen sie beim Kaffee in ihrem Salon, wo das Mittagessen serviert worden war. Stumm und mit gerunzelten Augenbrauen war er in den Bau einer Flotte vertieft. Nachdem er eine rauchende Zigarette und zwei als Masten dienende Streichhölzer in die letzte Orangenschale gesteckt hatte, setzte er die drei Schiffchen auf die Schlagsahne der Baisers.
    »Schiffe am Pol«, erklärte er, nachdem er sie schweigend angeblickt hatte.
    Sie beeilte sich zu lächeln und sagte, es sei sehr hübsch. Worauf er ihr einen argwöhnischen Blick zuwarf. Nein, sie meinte es ehrlich, sie bewunderte es wirklich. O unbesiegbare Liebe einer Frau, seltsame Macht des Sexuellen. Sollte es ihm eines Tages einfallen, im Sand Kuchen zu backen oder wie ein Hahn zu krähen, sie wäre imstande, in Verzückung zu geraten und darin den bewegenden Ausdruck des Genies zu sehen.
    »Wirklich sehr hübsch«, wiederholte sie. »Sie sehen wie im Eis festgefrorene Schiffe aus. (Er führte die Hand an die Stirn und dankte ihr mit einem finsteren Gruß. Beruhigt zog sie die Schöße ihres Morgenrocks zusammen und erhob sich mit höflichem Zögern.) Ich glaube, es ist Zeit, dass ich mich fertigmache. Sie sind doch immer noch einverstanden, dass wir ein bisschen reiten?«
    »Ich bin einverstanden.«
    »Dann werde ich die Reitschule in Cannes anrufen. Machen Sie sich auch fertig?«
    »Ja, ich mache mich auch fertig.«
    »Also bis gleich, ich werde nicht lange brauchen.«
    Sobald er allein war, seufzte er. Er sah sie jeden Tag nackt, und sie glaubte immer noch, ihn siezen zu müssen. Die Arme, sie wollte nun einmal die ideale Geliebte sein und tat alles, um eine Atmosphäre der Leidenschaft aufrechtzuerhalten.
    Wenigstens war sie sich anziehen gegangen, das war schon etwas. Zehn unbeschwerte Minuten. Ein bisschen Luft. Ja, aber wenn sie zurückkam, würde sie ihm die schicksalhafte Frage stellen, die wie ein Damoklesschwert über ihm schwebte, würde ihn fragen, was für Pläne er für heute Nachmittag nach dem Reiten habe. Was konnte er sich noch einfallen lassen, um ihre Einsamkeit zu tarnen? Er hatte alles ausgeschöpft. Immer der gleiche Ersatz für gesellschaftlichen Umgang, die gleichen armseligen Glücksmomente der Verbannten, Theater,

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