Die Schöne des Herrn (German Edition)
Spitzenbüstenhalter unter die gesteppte Tagesdecke schob.
Ins Bett zurückgekehrt, stieß sie an sein Bein, das er sofort zurückzog. An die Wand gedrückt, schloss sie die Augen. Ihr und Élianes Versteck im Garten Tantléries, in dem angeblich der Schatz der verlassenen Insel lag. Das Loch, das sie in der Nähe eines Baums gegraben hatten, und die geheimen Merkzeichen, die sie in Élianes Bibel eingetragen hatten. Sie hatten Glasscherben, Schokoladenpapier, Fünfcentimemünzen, Bonbons, einen Schokoladenbären und einen Vorhangring darin vergraben, der ihr als Ehering dienen sollte, wenn sie erwachsen wäre. Danach hatten sie sich gestritten, sie hatte Éliane einen Faustschlag auf die Nase versetzt, und dann hatten sie sich versöhnt und das aus der Nase rinnende Blut dazu benutzt, das höchst tragische Vermächtnis der angeblichen Schiffbrüchigen des Dreimasters
Le Requin
zu schreiben, hatten das Blut in einem Teelöffel gesammelt, eine Feder hineingetaucht und abwechselnd damit geschrieben. Sie hatte geschrieben, dass der Schatz der verlassenen Insel erst am Tag ihrer Hochzeit geöffnet werden solle und dass sie den Ring ihrem lieben Ehemann geben werde. Einige Beschlüsse hatten sie rückwärts geschrieben, Beschlüsse, sich geistig erheben zu wollen, und Verpflichtungen, in der Zukunft ein edelmütiges Leben zu führen. Und jetzt war die Zukunft gekommen, die Zukunft war jetzt, und letzte Nacht hatte sie Ingrid gerufen, sie hatte gewollt, was geschehen war. Um dich zu behalten, sagte sie innerlich, die Worte lautlos mit den Lippen formend, den Kopf halb unter dem Kopfkissen vergraben.
***
Er nahm die Schale mit den Süßigkeiten und stellte sie zwischen sich und ihn. Im Halbdunkel bedienten sie sich, sie mit Pralinen, er mit Lokum, das er langsam kaute, während er, von Zeit zu Zeit Äther einatmend, ihr gemeinsames Leben vor sich abrollen ließ, ihr armseliges Leben seit zwei Jahren. Neunter September heute. Zwei Jahre und drei Monate seit dem ersten Abend im Ritz. Fast ein Jahr seit den Eifersuchtsszenen wegen Dietsch. Diese Eifersucht war aufrichtig gewesen, aber auch gewollt, denn er gefiel sich in quälenden Visionen, rief sie, entwickelte sie, geißelte sich damit, um zu leiden und Leiden zu verursachen, um sich aus dem Sumpf zu erheben und ihr und sich ein Leben der Leidenschaft ohne Geschmachte zu fabrizieren. Genau das Richtige gegen den Skorbut. Keine Langeweile mehr, nur noch Drama. Der abscheuliche Reiz, endlich wieder aufrichtig miteinander zu schlafen, weil sie sich wieder begehrten. Die Szenen in Agay und dann in Marseille. Nach der Rückkehr in die Belle de Mai hörten die Eifersuchtsszenen nicht auf. Dann das Zwischenspiel, als er sich die Pulsadern aufschnitt, weil er sich schämte, sie so zu quälen, und ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Anschließend ihre Lungenentzündung. Von ihm allein gepflegt, ohne Krankenschwester, gegen den Rat des Arztes. Wochenlang pflegte und wusch er sie Tag und Nacht wie ein Kind, schob mehrmals am Tag die violinförmige Schüssel unter sie und leerte den stinkenden Inhalt aus. Süße Wochen. Alle Eifersucht war verflogen, für immer verflogen, dank der Emailleschüssel. Es gibt Bilder und Gerüche, die man nicht vergisst. Süße Wochen. Er betrachtete seine Kranke und war glücklich, dass dieser arme leidende, von der Krankheit verunstaltete Körper ein bisschen Glück mit dem braven Dietsch erlebt hatte, der ihm direkt sympathisch wurde. Doch nachdem sie sich erholt hatte und wieder gesund war, spürte er leider erneut verliebte Absichten bei ihr und nahm becircende Blicke wahr. Und wohl oder übel musste er wieder den Gockel spielen und ihr schöne Augen machen, und sie eilte hocherfreut in ihr Zimmer, frisierte sich, schlüpfte in ein völlig unnötig betörendes Negligé, verhüllte die Lampe ihres Zimmers mit ihrem verdammten roten Schal, um eine sinnliche Atmosphäre zu schaffen, denn die Unglückliche hoffte auf den unwiderlegbaren Test eines gelungenen Koitus, und wenn sie glaubte, ihn bestanden zu haben, belohnte sie ihn sofort mit diesen schrecklich sentimentalen Liebkosungen des Nackens oder des Haars, die wie furchtbare Spinnen der Dankbarkeit über ihn krabbelten, und das alles auf unerträgliche Weise begleitet von zärtlichen Fragen und zärtlichen liebevollen Kommentaren. Und erneut mehrere Bäder am Tag und mindestens zwei Rasuren, und die poetischen Formulierungen, die er sich einfallen lassen musste, um die Schönheit der Geliebten
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