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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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konnte doch Sol keine Braut mit einem Stiftzahn anbieten. Blieb also nur die Tochter des Großrabbiners, aber diese Idiotin hatte wiederum keine Mitgift.
    »Nun, wenn schon, wozu braucht er eine Mitgift? Ich habe ausgerechnet, dass ihm alle drei Minuten ein Goldnapoleon in die Hosentasche fällt. Aber unter uns gesagt, diese beiden Mädchen sind hässlich wie die Nacht. Und dieses Fräulein Ariane braucht sie bloß einmal anzupusten.«
    Angewidert spuckte er auf die beiden Kandidatinnen und beschloss, gleich morgen nach Mailand zu reisen, um sich dort die Tochter eines großen Juweliers anzusehen, von der ihm ein Cousin aus Manchester, den er in Marseille getroffen hatte, viel Gutes erzählt hatte. Ein Juwelier ist immer interessant. Aber nein, eine Juwelierstochter war auch nicht das Richtige für Sol. Diese Unglückselige würde sicher kein anderes Thema als Rubine und Perlen kennen. Und außerdem sind Juwelierstöchter immer fett. Während Fräulein Ariane gewiss von großer Schönheit war. Mit Gazellenaugen und so weiter. Um gegen sie anzukämpfen, brauchte er eine Tochter Israels, die so vollkommen wäre wie der Vollmond. Ja, eine schöne Israelitin, unbedingt! Hatte der Ewige seinem Volk nicht im 34. Kapitel des Exodus die Ehe mit fremden Mädchen verboten?
    »Doch wo ist sie, wo finde ich diese vollkommene israelitische Schönheit?«
    In Gedanken versunken, ging er weiter. Als ein Gendarm vor ihm auftauchte, wechselte er mit einer gleichgültigen Unschuldsmiene schnell auf die andere Straßenseite hinüber, wobei er fast überfahren worden wäre. Natürlich hatte er sich nichts vorzuwerfen, er war stets rechtschaffen gewesen, aber bei diesen Teufeln von der Polizei konnte man nie wissen. Vor dem Bahnhof Cornavin blieb er plötzlich stehen und fasste sich an die Stirn, denn eine herrliche Idee war ihm gekommen.
    »Aber ja, mein Lieber, ein Inserat in den israelitischen Zeitungen!«
    Im Bahnhofsrestaurant dritter Klasse verlangte er mit vor Ungeduld zitternden Fingern »weißes Papier, ein Glas Seewasser und Türkischen Honig«. Letzteres wurde vom Kellner mit feindseliger Ironie aufgenommen, worauf er sich mit einem schwarzen Kaffee begnügte, »aber gut gezuckert, wenn Sie die Güte haben wollen«. Nachdem er einen ersten Schluck getrunken hatte, setzte er sich die alte Drahtbrille auf, deren zerschrammte Gläser seinen Adlerblick trübten, und befeuchtete die Spitze eines in seiner Rocktasche entdeckten Bleistifts.
    »Schnalle dein Schwert um, o Held«, murmelte er sich zu, »und schwinge dich in den Sattel, um die Reinheit des Volkes zu verteidigen!«
    Nach einigen in die Luft gezeichneten Schnörkeln, welche die Inspiration heraufbeschwören sollten, begann er zu schreiben, wobei er von Zeit zu Zeit innehielt, um seinem Text billigend zuzunicken oder mit entzückter Miene seiner Tabakdose eine Prise Schnupftabak zu entnehmen. Als sein Werk vollendet war, las er es sich halblaut vor, lächelte beglückt und bewunderte seine Handschrift. Ja, in der Kalligraphie nahm er es mit jedem auf!

    »Unverheirateter Onkel wünscht Neffen von Großer Schönheit zu verheiraten Glänzende Position, ein Botschafter ist nichts dagegen! Position wohlverdient und mit der Krawatte der Ehrenlegion! Diskretionshalber nenne ich die Farben der Krawatte nicht! Einziger Makel seiner Großen Schönheit ist eine kleine Narbe auf dem Augenlid, verursacht durch Sturz vom Pferd, wie er mir erklärte! Da er die weltmännische Gewohnheit hat zu reiten! Aber diese Narbe ist ganz unbedeutend! Ein kleiner weißer Strich, kaum zu sehen! Allein das Auge eines Onkels konnte sie entdecken! Ich erwähne die Narbe nur aus Ehrlichkeit! Sie ist sein einziger Fehler! Ein charmanter Fehler! Abgesehen davon ist er Prächtig! Die Kandidatin muss Gesund und ohne Verborgene Makel sein! Jung! Von Auserlesener Schönheit! Rehaugen! Zähne wie eine Herde geschorener Schafe, die von der Tränke kommen! Haare wie eine Herde Ziegen am Hang des Berges Galaad! Wangen wie halbe Granatäpfel! Und alles Übrige! Aber auch sehr Seriös! Keine Techtelmechtel mal mit diesem, mal mit jenem! Das liebt der Onkel nicht! Aus Wohlbekannter und Ehrbarer Israelitischer Familie! Natürlich Gottgläubig! Tugendhaft und Vernünftig! Muss ein Gesundes Urteil haben, Guten Rat geben und ihn manchmal sogar ein bisschen Schelten können! Das schadet nichts, vorausgesetzt, sie tut es auf liebenswürdige Weise! Kurzum, ein Täubchen. Und Mogeleien und Vortäuschen, sie sei ein Täubchen,

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