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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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sitzend, ihm eifrig zuhörend, und er beredt und ergreifend. Wie sollte sie da nicht konvertieren, mit ihrem schönen Gesicht? Also Hochzeit in der Synagoge, die beiden Brautleute unter dem Hochzeitsbaldachin, sie so zart und errötend! Er würde gewiss die Erlaubnis erhalten, die Trauung an Stelle des Rabbiners zu vollziehen. Wusste er nicht ebenso viel wie ein Rabbiner? Er sah sich bereits, wie er den Wein aus dem rituellen Becher trank, ihn Sol und seiner bezaubernden Braut reichte, und wie er dann den Segen auf Hebräisch sprechen würde. Leise sagte er ihn sich vor.
    »Möge dieses durch die reinsten Gefühle vereinte Paar sich erfreuen wie Adam und Eva im Garten Eden. O Gott, möge man bald in den Straßen Jerusalems die Stimme der Freude, die Stimmen des Bräutigams und der Braut vernehmen, wenn sie vom Festmahl kommen. Sei gelobt, Ewiger, der du die Eheleute erfreust und gedeihen lässt!«
    Er zog sein Taschentuch heraus, um sich die süßen Tränen zu trocknen, schnäuzte sich und lächelte. Nach dem Segen würde er erneut von dem Wein kosten und ihn Sol und der bezaubernden jungen Braut im weißen Spitzenkleid reichen, und dann würde er den Wein auf die Erde schütten und das Glas zur Erinnerung an das verlorene Jerusalem mit dem Fuß zertreten. Dann würde er sie unmittelbar vor der Hochzeitsreise zum Zug begleiten und sie beide noch einmal segnen und küssen. Ja, auch die junge Dame würde er respektvoll küssen, denn schließlich wäre sie ja dann seine Nichte.

***

    Er verließ das Bahnhofsrestaurant und ging, in erfreuliche Gedanken vertieft, mit kleinen Schritten und krummem Rücken die Rue de Chantepoulet hinunter. Also ein Kuss auf jede Wange. »Vielen Dank für alles, lieber Onkel«, würde sie sagen. »Gott beschütze dich, mein liebes Kind, und sei auf der Hut, keine Unvorsichtigkeiten und kein Herumspringen, besonders nicht ab dem dritten Monat.« Und neun Monate nach der Trauung wäre der erste da, und dann ein zweiter und ein dritter. Zwei Jungen und ein Mädchen. Der zweite würde vielleicht Saltiel heißen, falls die Mutter einverstanden wäre. Man würde sehen. Das lag alles in Gottes Hand.
    Gott, wie groß Gott ist! Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs! Heute Abend würde er in die Synagoge gehen, um das Kommen des Sabbath zu begrüßen, den Ewigen im Gesang mit seinen Brüdern zu preisen und das heilige Gesetz des Ewigen zu küssen! Was für ein Glück und was für eine Ehre, zum Volk Gottes zu gehören! Er war so begeistert, dass er dreimal mit dem Fuß aufstampfte, ohne sich um die neugierigen oder spöttischen Blicke zu kümmern.
    Ohne sich um die neugierigen oder spöttischen Blicke zu kümmern, ging er seines Wegs, unbesiegbar und den Ewigen lobpreisend, unbesiegbar und singend, dass der Ewige seine Kraft und sein Turm sei, seine Kraft und sein Turm, aus tiefstem Herzen singend, aus tiefster Seele mit dem Fuß aufstampfend, von Zeit zu Zeit seine Mütze lüpfend vor den Passanten, deren Gesichter ihm gefielen, und ihnen zulächelnd, weil Gott in seinem Herzen herrlich war, erneut mit dem Fuß aufstampfend und das Lob des Ewigen singend.

XVI

    Das eheliche Schlafzimmer der Deumes, tagsüber ausschließlich von Madame besetzt, da ihre Kopfschmerzen Einsamkeit und Konzentration erforderten.
    Ein Geruch von Kampfer, Salizylsäure, Lavendel und Naphtalin. Auf dem Kaminsims eine Pendeluhr aus vergoldeter Bronze, gekrönt von einem Soldaten, der die Fahne trug und für das Vaterland starb, ein Brautkranz unter einer Glasglocke, Immortellen, eine kleine Büste Napoleons, ein italienischer Mandolinenspieler aus Terrakotta, ein die Zunge herausstreckender chinesischer Bauer, ein mit Samt ausgeschlagener und mit eingelegten Muscheln verzierter Kasten, Andenken vom Mont Saint-Michel, eine kleine belgische Fahne, ein Wägelchen aus geblasenem Glas, eine Porzellangeisha, ein Marquis aus falschem sächsischem Porzellan, ein kleiner versilberter Stiefel, gefüllt mit einem Nadelkissen aus Samt, und ein großer Kieselstein, Andenken aus Ostende. Vor dem Kamin ein kleiner in Öl gemalter Wandschirm, auf dem sich zwei kleine Hunde um ein Hörnchen balgten. An den Wänden ein riesiges, mit der Laubsäge ausgeschnittenes Holzherz, übersät mit kleinen Herzen, welche die Fotos der van Offels, der Rampals und diverser Leerberghes enthielten, sowie von Hippolyte als nacktem Baby im Alter von sechs Monaten, Josephine Butler und dem lieben Dr. Schweitzer, japanische Fächer, ein spanischer Schal, ein

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