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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gespürt, als Lucien besoffen war und wir ihn reingetragen haben. Ich war nackt, und mir war nicht kalt, es war lau im Rücken. Ich habe erst später wieder daran gedacht. Ein Automotor... Ich habe die Wärme ihres Autos gespürt, vor ihrem Haus. Ich habe es verstanden, als Gosselin beschuldigt wurde, und dann geglaubt, er hätte in der Mordnacht das Auto seiner Schwester genommen.«
    »In dem Moment warst du erledigt. Denn als Gosselin aus dem Spiel war, hättest du früher oder später eine andere Erklärung für deine ›Wärme‹ finden müssen. Und es gab nur eine einzige andere Erklärung... Aber als ich heute abend in die Baracke zurückgekommen bin, wußte ich alles über sie, ich wußte warum, ich wußte alles.«
    Marc verstreute die herausgerissenen Grasbüschel um sich herum. Er verwüstete sein kleines Stückchen Erde.
    »Christophe Dompierre hatte Sosie geschrieben... Georges hatte Sophia in ihrer Garderobe überfallen, und irgend jemandem hatte das genutzt... Wem? Natürlich ihrer Zweitbesetzung, der ›Sosie‹, die sie auf der Bühne ersetzen würde... Ich habe mich erinnert... der Musikunterricht... sie war das, sie war lange Zeit Ersatzsängerin... unter dem Namen Nathalie Domesco. Nur ihr Bruder wußte Bescheid, ihre Eltern glaubten, sie würde als Putzfrau arbeiten... vielleicht eine Meinungsverschiedenheit, vielleicht ein Bruch mit ihnen... Ich habe mich erinnert... Mathias, ja, Mathias, der in der Nacht, als Dompierre ermordet wurde, nicht gefroren hatte, Mathias, der vor ihrem Gartentor, vor ihrem Auto stand... ich habe mich erinnert... die Bullen, wie sie den Graben wieder zugeschüttet haben... wir haben sie von meinem Fenster aus genau beobachtet, sie standen nur bis zu den Oberschenkeln im Graben... sie hatten also nicht tiefer gegraben als wir... jemand anderes hatte nach ihnen gegraben, weiter gegraben, bis in die schwarze, fette Schicht... Und da, ja, da habe ich genug gewußt, um auf ihre Geschichte zu stoßen, wie Ahab auf seinen Mörderwal... Und genau wie er kannte ich ihre Route... und wußte, wo sie vorbeiziehen würde...«
    Juliette beobachtete die Männer, die im Halbkreis um sie standen. Sie warf ihren Kopf nach hinten und bespuckte Marc. Marc senkte den Kopf. Die beherzte Juliette mit den glatten weißen Schultern, dem bezaubernden Körper und dem liebenswürdigen Lächeln. Dieser helle Körper in der Nacht, der weich und rundlich war, der schwer war und der spuckte. Juliette, die er auf die Stirn geküßt hatte, der weiße Wal, der Mörderwal.
    Juliette spuckte auch die beiden Bullen an, die rechts und links von ihr standen, dann hörte man nur noch ihren pfeifenden Atem. Dann ein kurzes, höhnisches Kichern und von neuem ihren Atem. Marc dachte sich, daß sie den Blick geradewegs auf ihn gerichtet hatte. Er dachte an das Tonneau, Sie hatten sich dort wohl gefühlt... der Rauch, das Bier an der Theke, das Klirren der Tassen. Das Kalbsgeschnetzelte. Sophia, die am ersten Abend für sie allein gesungen hatte.
    Gras ausreißen. Jetzt häufte er das Gras zu einem kleinen Haufen auf seiner linken Seite.
    »Sie hat die Buche gepflanzt«, fuhr er fort. »Sie wußte, daß der Baum Sophia beunruhigen würde, daß sie darüber reden würde... Wen würde das nicht beunruhigen? Sie hat die Karte von ›Stelyos‹ abgeschickt, hat Sophia an jenem Mittwoch abend auf dem Weg zum Bahnhof abgefangen und unter wer weiß welchem Vorwand in dieses gottverdammte Tonneau gelockt... Ist mir scheißegal, ich will es nicht wissen, ich will es nicht hören! Vielleicht hat sie gesagt, sie hätte Nachricht von Stelyos... sie hat sie dorthin gelockt, hat sie im Keller umgebracht, sie wie einen Braten zusammengebunden, hat sie nachts in die Normandie geschafft und dort in die alte Gefriertruhe im Keller gestopft, ich bin mir sicher...«
    Mathias preßte seine Handflächen zusammen. Mein Gott, er hatte diese Frau in der Enge des Restaurants so sehr begehrt, wenn die Nacht hereingebrochen war, wenn der letzte Gast gegangen war, und noch heute vormittag, als er sie flüchtig berührt hatte, während er ihr beim Aufräumen half. Hundertmal hatte er mit ihr schlafen wollen. Im Keller, in der Küche, auf der Straße. Seine enge Kellnerkleidung runterreißen. Er fragte sich heute abend, welche dunkle Ahnung ihn immer hatte zurückschrecken lassen. Er fragte sich, warum Juliette sich nie für irgendeinen Mann zu interessieren schien.
    Ein heiseres Geräusch ließ ihn zusammenfahren.
    »Sie soll schweigen!«

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