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Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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auf meiner Erde, niemand auf dieser Erde wird je stärker sein als ich.
      »Herr Sturmführer«, sagte Bronek Blutman, »Irrtümer passieren jedem. Das wird sich nie wiederholen.«
      Unnötig, das zu sagen. Getötet werde ich sowieso. Alles ist verlogen, verschandelt und in den Boden getrampelt. Warum sollte ich das Niveau überragen? Ich sage also ›Irrtum‹. Ich sage ›Irrtum‹ und sage es noch einmal, ich mache mich des Verrats schuldig, ich verliere meinen Wert, was nützt diesem Stuckler jemand, der Irrtümer begeht, so einen muß man unverzüglich auf dem Umschlagplatz abliefern, für die Irrtümer hat Stuckler seine eigenen Pfuscher mit Stiernacken und Glotzaugen, für die Irrtümer hat er auch Polen, was braucht er einen Juden, der Irrtümer begeht? Die Juden sind dazu auf der Welt, daß man sie totschlägt und daß sie keine Irrtümer begehen. Ich habe keinen Irrtum begangen und werde getötet. Darf solch eine Welt weiter bestehen?
      »Zum letzten Mal toleriere ich einen Irrtum«, sagte Stuckler. »Raus!«
    Er schrie nicht, er sagte alles in ruhigem Ton, vielleicht sogar recht höflich. Dann kehrte er zurück hinter seinen Schreibtisch. Das Fensterrechteck blieb leer. Nur das Grün des Zweigs und ein Stückchen Himmel. Bronek Blutman verbeugte sich respektvoll, aber ohne Unterwürfigkeit. Er verließ den Raum und schloß hinter sich die Tür, ging durch das Sekretariat, über den Korridor, die Treppe. Töten werden sie mich sowieso. Wenn nicht heute, dann morgen. Mich nicht zu töten, wäre ein Irrtum. Wir würden beide einen Irrtum begehen, das wäre sehr komisch. Ich habe einen Irrtum begangen, weil ich keinen begangen habe, und er hat ihn begangen, weil er erwartet hat, daß ich keinen Irrtum begehe, der ein Irrtum sein wird, denn wenn das kein Irrtum ist, dann hat er selbst einen Irrtum begangen. Sehr komisch ist das. Lüge, Verrat, Erniedrigung, Gemeinheit, Denunziation, Mord, Bestialität, Prostitution, Irrtum, Irreführung, Irrsinn…
      Er stand auf der Straße. Die Bäume grün, der Himmel blau. Der Verrat grün, die Lüge blau. Es gibt keine Welt, dachte Bronek Blutman. Die Welt ist gestorben. Zu Ende. Nie mehr gibt es eine Welt. Für alle Ewigkeit verreckt. Amen. Ein Irrtum, dachte er. Wenn ein so großer, weiser Jude wie Jesus Christus sich geirrt und verirrt hat, für wen hältst du dich dann, kleiner Bronek! Du bist ein kleiner Jude, einen Meter und vierundachtzig Zentimeter groß, ein tüchtiges Stück Jude, kann man sagen, aber doch ein kleiner Jude, Bronek. Irrtum? Meinetwegen – Irrtum. Von heute an mache ich einen Bogen um Frau Seidenman. Um alle Warschauer Huren aus den VorkriegsDancings mache ich einen Bogen, dessen Sehne mein jüdisches Auge ist. Ich entsende tödliche Pfeile auf die Kaftanträger, Hausierer, Kümmerlinge. Um die jüdischen Huren mache ich einen Bogen, weil ihre Ohren wie die Muscheln aus südlichen Meeren die Musik der Erlösung spielen. Die Welt ist auf Verrat, Lüge und Erniedrigung gegründet. Es läßt sich nicht verheimlichen, daß Kain Abel erschlagen hat. Am Anfang war Verrat, Lüge und Kains Erniedrigung. Was blieb ihm denn übrig, als einen Stein aufzuheben und Abel zu erschlagen? Was blieb ihm denn übrig, da Gott ihm keine Wahl ließ?
    Bronek Blutman stieg in eine Rikscha und ließ sie auf den Narutowicz-Platz fahren. Der Rikschafahrer schnaufte und hustete.
    »Was haben Sie?« fragte Bronek Blutman.
    »Die Grippe hat mich erwischt.«
    »Sie hätten im Bett bleiben sollen.«
      »Der eine kann, der andere nicht«, entgegnete der Rikschafahrer. Danach schwiegen sie. Über Bronek Blutmans Ohr ertönte ständig das schwere Schnaufen. Auf dem Narutowicz-Platz gab er dem Rikschafahrer ein reichliches Trinkgeld.
      »Lassen Sie sich Schröpfköpfe setzen«, sagte er im Fortgehen.
    »Ich trinke lieber ein Viertel«, entgegnete jener.
      Wieder ein Irrtum, dachte Bronek Blutman. Man kann es niemandem recht machen.
      Er betrat eine Kneipe, setzte sich bequem an ein Tischchen, bestellte ein ordentliches Essen. Broneks Vater, der alte Blutman, hatte oft gesagt: ›Wenn du Sorgen hast, sorg dich nicht, iß erst gut, dann kannst du dich sorgen.‹ Ein Irrtum, dachte Bronek. Sein Vater war schon bei den ersten Selektionen auf den Umschlagplatz gegangen. Er hatte seit langem nichts gegessen und sich gesorgt, als hätte das einen Sinn. Auch der alte Blutman hatte Irrtümer begangen. Und Jesus Christus. Alle, den lieben Gott nicht ausgenommen. Worum

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