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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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liebsten herumgelaufen oder auf Bäume geklettert. An jenem Tag waren wir zum Tee bei einer Nachbarin eingeladen. Ich wusste, da würde ich mindestens eine Stunde lang still sitzen müssen. Als ich dich durchs Fenster zum Stall gehen sah, rannte ich aus dem Haus und bat dich, mich mitzunehmen. ,Heb mich hoch, Papa!‘, flehte ich und streckte dir die Arme entgegen.“
    Unbehaglich zog George Rathford den Kopf zwischen die Schultern. Doch er konnte sich nicht vor ihren Worten schützen.
    „Erinnerst du dich, Vater? Du hast gelächelt, und sekundenlang glaubte ich, du würdest mich tatsächlich auf dein Pferd setzen und fabelhafte Abenteuer mit mir erleben. In diesem Augenblick warst du mein grandioser Held, mein Retter. Und dann kam Mutter zu uns. Sie beschimpfte mich und befahl mir, ins Haus zu gehen. Aber ich weigerte mich und war fest überzeugt, du würdest ihr erklären, dass du mit mir in den Wald reiten wolltest.“
    Verzweifelt starrte er in sein leeres Glas und warf einen kurzen Blick zur Kredenz, wo die Karaffen standen.
    „Das hast du nicht getan, Papa. Du warst nicht mein Held, sondern ein Schwächling. Deshalb mache ich dir keine Vorwürfe ... du konntest nicht anders. Dafür habe ich Verständnis. Aber eins verstehe ich nicht'.“ Beschwörend schaute sie ihn an und zwang ihn, ihrem Blick standzuhalten. „Warum zwingst du mich, diesen Mann zu heiraten?“
    Wortlos schüttelte er den Kopf und fühlte sich elend.
    In diesem Moment betrat Adam den Speiseraum. Sofort sprang Rathford auf, eilte zur Kredenz und schenkte sich einen Whisky ein. Verwundert beobachtete der Besucher den Gastgeber, verzichtete aber auf eine Kommentar. „Verzeihen Sie meine Verspätung“, bat er und nahm Helena gegenüber Platz. „Es hat eine Weile gedauert, bis mein Zimmer hergerichtet war.“
    Wie sie sein aalglattes Lächeln verabscheute ... das triumphierende Grinsen eines Siegers ... „Wir sind nicht an Hausgäste gewöhnt. “
    „Was Sie nicht sagen ...“ Seine Lippen verzogen sich.
    Hastig senkte sie die Wimpern. Seine selbstgefällige Miene zerrte fast schmerzhaft an ihren Nerven.
    Während ein Lakai die Suppe servierte, berichtete Adam: „Vorhin sah ich Ihr Porträt in einem kleinen Salon. Ein bemerkenswertes Gemälde, das Ihre mysteriöse Aura gut zur Geltung bringt, liebe Helena.“
    „Was hatten Sie in diesem Zimmer zu suchen?“
    „Nun, ich wollte das Haus erforschen“, erwiderte er und probierte die Suppe. „Sicher ist meine Neugier verständlich. Ein imposantes Gebäude ...“
    „Noch gehört es nicht Ihnen.“
    „Aber bald.“ Mitten in der Bewegung hielt sein Löffel inne. „Wäre es Ihnen lieber, ich würde in meinem Zimmer essen?“
    „ Ich wünschte, Sie könnten sich zur Abreise entschließen, Sir. “
    Seufzend schüttelte er den Kopf, als würde ihn ihre Antwort tief enttäuschen. „Und wie sollen wir uns näher kennenIernen?“ „Ich möchte Sie nicht kennenIernen.“
    „Also ziehen Sie Ihre Einsamkeit vor. Sie wollen in diesem halb verfallenen Gebäude vermodern, Sie genießen den Staub und den Schimmel und die Mäuse, die mir heute mehrmals vor die Füße liefen.“ Zu seinem künftigen Schwiegervater gewandt, neigte er den Kopf. „Entschuldigen Sie meine Offenheit, Sir.“ Wie Helena bestürzt feststellte, unterdrückte ihr Vater ein Lächeln. Amüsierte er sich?
    „Wenn Ihnen Rathford Manor nicht gut genug ist, sollten Sie nach London zurückkehren, Mr Mannion“, fauchte sie.
    „Ihre Gastfreundschaft ist bewundernswert, Helena.“
    „Und Ihr Sarkasmus völlig unangebracht! Was für ein Rüpel Sie sind!“
    „Und Sie sind eine magere Xanthippe, die ihre Suppe kalt werden lässt. Gerade Sie müssen sich stärken.“
    Beinahe wäre sie aufgesprungen. „Wenn ich Ihnen dermaßen missfalle, sollten Sie „... abreisen“, ergänzte er und schob seinen gefüllten Löffel wieder in den Mund.
    Die Lippen zusammengepresst, suchte sie vergeblich nach einer passenden Antwort. Plötzlich hörte sie ein lautes Ächzen, das ihre Aufmerksamkeit auf den Vater lenkte. Die Hände vors Gesicht geschlagen, zitterte er unkontrolliert.
    Weinte er? Hatte er endlich erkannt, welch schwerer Fehler es gewesen war, dieses unselige Abkommen mit Adam Mannion zu treffen? Zerknirscht und besorgt berührte sie seine bebenden Finger. In diesem Augenblick war sie bereit, ihm alles zu verzeihen. Da ließ er die Hände sinken, und sie sah Tränen über sein Gesicht rinnen. Aber er weinte nicht.
    Er

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