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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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faszinierte mich. Der liebe, reizende Onkel Gus wollte jemanden umbringen, und Harry sollte ihm dabei helfen. Mir schwirrte der Verstand, hektisch suchte ich nach einer Möglichkeit, sie zu überreden, mich dabei helfen – oder zumindest zusehen zu lassen. Was konnte das schaden? Es war geradezu eine Bürgerpflicht!
    Doch Harry weigerte sich, Gus zu helfen, und kurze Zeit später verließ Gus das Haus. Er sah aus, als hätte ihm jemand die Luft abgelassen. Harry kehrte zu mir und Deborah vor den Fernseher zurück und mühte sich die nächste halbe Stunde, wieder seine glückliche Miene aufzusetzen.
    Zwei Tage später fand man die Leiche von Onkel Gus. Er war verstümmelt und enthauptet worden, und mit ziemlicher Sicherheit hatte man ihn vorher gefoltert.
    Drei Tage später entdeckte Harry den kleinen Tierfriedhof unter den Büschen im Garten, ohne dass ich es merkte. In den nächsten ein oder zwei Wochen ertappte ich ihn mehr als ein Mal, wie er mich mit seiner Arbeitsmiene musterte. Zu jenem Zeitpunkt ahnte ich nichts von den Gründen, und ich fand es einschüchternd, doch war ich viel zu jung und unreif, um eine Bemerkung zu formulieren wie: Dad, warum starrst du mich so seltsam an?
    Zumal der Grund sehr rasch offen zutage trat. Drei Wochen nachdem Onkel Gus sein vorzeitiges Ende gefunden hatte, zelteten Harry und ich auf Elliot Key, und mit wenigen, einfachen Sätzen – die mit »du bist anders, Sohn« begannen – änderte Harry alles. Für immer.
    Sein Plan. Sein Entwurf für Dexter. Sein vollkommener, selbst entwickelter, gesunder und vernünftiger Plan, damit ich auf ewig mein wunderbares Selbst sein konnte.
    Und nun hatte ich den Pfad verlassen, einen schmalen und gefährlichen Umweg genommen. Ich meinte zu sehen, wie er den Kopf schüttelte und diese eiskalten, blauen Augen auf mich richtete.
    »Wir müssen dich in den Griff kriegen«, hätte Harry gesagt.

17
    E in besonders lauter Schnarcher von Chutsky holte mich in die Gegenwart zurück. Er war so laut, dass eine der Schwestern den Kopf hereinsteckte und dann sämtliche Anzeigen, Monitore und summenden Apparate überprüfte, ehe sie mit einem misstrauischen Blick auf uns beide wieder ging, als hätten wir absichtlich fürchterliche Geräusche erzeugt, um ihre Maschinen aufzustören.
    Deborah bewegte ganz leicht das Bein, nur eben ausreichend, um zu beweisen, dass sie noch lebte, und ich zwang mich, die Straße der Erinnerung zu verlassen. Irgendwo dort draußen lief jemand herum, der meine Schwester mit einem Messer attackiert hatte. Nur darauf kam es an. Jemand hatte dieses Verbrechen verübt. Ein gewaltiges loses Ende lag irgendwo herum, und ich musste es packen und ordentlich abschneiden. Der Gedanke an diese unvollendete und ungesühnte Angelegenheit erzeugte in mir den Drang, die Küche zu putzen und das Bett zu machen. Es war unordentlich, einfach unordentlich, und Dexter mag keine Unordnung.
    Ein weiterer Gedanke steckte die Nase ins Zimmer. Ich versuchte, ihn zu verscheuchen, doch er kehrte immer wieder zurück, wedelte mit dem Schwanz und verlangte, dass ich mich um ihn kümmerte. Und als ich es tat, schien die Idee gut. Ich schloss die Augen und versuchte, mir die Szene noch einmal vorzustellen. Die Tür schwingt auf – und bleibt offen, während Deborah ihre Dienstmarke vorweist und dann stürzt. Und sie ist immer noch offen, als ich zu ihr haste …
    … was bedeutete, dass sehr wohl jemand dort drin gewesen sein und herausgeblickt haben konnte. Was wiederum hieß, dass es jemanden geben könnte, der wusste, wie ich aussah. Eine zweite Person, wie Detective Coulter vorgeschlagen hatte. Es war ein wenig demütigend, zugeben zu müssen, dass ein sabbernder Idiot wie Coulter recht haben könnte, doch nun ja; Isaac Newton hatte die Schwerkraft ja auch nicht verworfen, nur weil Äpfel einen niedrigen IQ haben.
    Zum Glück für mein Selbstwertgefühl war ich Coulter einen Schritt voraus, da ich vermutlich den Namen seiner hypothetischen Person kannte. Wir waren dort gewesen, um jemanden namens Brandon Weiss wegen seiner Drohungen gegen die Fremdenverkehrsbehörde zu befragen, und endeten irgendwie bei Doncevic. Gut möglich, dass die beiden zusammengewohnt hatten.
    Ein weiterer kleiner Zug schnaufte in den Bahnhof: Arabelle, die Putzfrau bei Joe’s, hatte zwei schwule Touristen mit Kameras gesehen. Und ich hatte in Fairchild Gardens zwei Männer beim Filmen der Menge beobachtet, auf die ihre Beschreibung passte. Die Angelegenheit hatte mit

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