Die schöne Kunst des Mordens
und richtig und notwendig …
In den darauf folgenden Monaten führte ich einige eher unbedeutende Experimente durch; an sorgfältig ausgewählten Orten mit ebenso sorgfältig ausgewählten Spielkameraden, da ich selbst in meiner heißblütigen Phase der Selbsterkenntnis begriff, dass es Fragen aufwerfen würde, wenn plötzlich alle Haustiere der Nachbarschaft verschwanden. Doch da war ein Streuner, eine Fahrradtour in ein anderes Viertel, und irgendwie kam Luke Darkwalker zurecht, während ich allmählich lernte, mein glückliches Selbst zu sein. Und weil ich meinen Experimenten so verbunden war, bestattete ich sie ganz in der Nähe, hinter einer Reihe von Rosenbüschen in unserem Garten.
Heute bin ich selbstverständlich klüger. Doch damals schien alles so unschuldig und wunderbar, und ich wollte hinaus zu den Büschen sehen und von Zeit zu Zeit in der wohligen Wärme meiner Erinnerungen schwelgen, und so beging ich meinen ersten Fehler.
An jenem faulen Nachmittag kauerte ich also im Feigenbaum und beobachtete, wie Harry den Wagen parkte, ausstieg und stehen blieb. Er trug sein Arbeitsgesicht, die Miene, die sagte: Ich habe fast alles gesehen, und das meiste gefällt mir nicht. Er blieb recht lange mit geschlossenen Augen neben dem Auto stehen und tat nichts Komplizierteres als atmen.
Als er die Augen wieder aufschlug, besagte der Ausdruck in seinem Gesicht: Ich bin zu Hause, und ich freue mich darüber. Er trat einen Schritt auf die Haustür zu, und ich sprang aus dem Baum und rannte zu ihm hinüber.
»Dexter«, begrüßte er mich. »Wie war’s heute in der Schule?«
In Wahrheit war es genauso gewesen wie immer, doch schon damals wusste ich, dass dies nicht die richtige Antwort war. »Gut«, erwiderte ich. »Wir nehmen den Kommunismus durch.«
Harry nickte. »Es ist wichtig, darüber Bescheid zu wissen. Wie heißt die Hauptstadt von Russland?«
»Moskau. Früher war es Sankt Petersburg.«
»Echt?«, sagte Harry. »Warum haben sie das geändert?«
Ich zuckte die Achseln. »Sie sind jetzt Atheisten. Die können keine Stadt mit Sankt mehr nehmen, weil sie nicht mehr daran glauben.«
Er legte mir die Hand auf die Schulter, und wir gingen zum Haus. »Das kann nicht besonders lustig sein«, sagte er.
»Hast du gegen den Kommunismus, äh,
gekämpft?
«, fragte ich. Ich wollte eigentlich sagen, im Kampf gegen den Kommunismus
getötet,
aber ich traute mich nicht so recht. »Bei den Marines?«
Harry nickte. »Ja, das stimmt. Der Kommunismus bedroht unsere Art zu leben. Deshalb ist es wichtig, dagegen zu kämpfen.«
Wir hatten die Haustür erreicht, und er schob mich sanft vor sich her, in den Duft nach frischem Kaffee, den Doris, meine Adoptivmutter, immer für Harry bereithielt, wenn er von der Arbeit nach Hause kam. Sie war damals noch nicht zu krank, um aufzustehen, und erwartete ihn in der Küche.
Sie durchliefen ihr übliches Ritual – Kaffeetrinken und ein leises Gespräch –, und die komplette Szene war so vollkommen Norman Rockwell, dass ich sie ohne die Ereignisse des späteren Abends bestimmt umgehend vergessen hätte.
Doris lag bereits im Bett. Seit ihr Krebs schlimmer geworden war und sie größere Dosen Schmerzmittel brauchte, ging sie von Tag zu Tag früher schlafen. Harry, Deborah und ich saßen wie gewöhnlich zusammen vor dem Fernseher. Wir schauten eine Sitcom, ich weiß nicht mehr welche. Damals gab es viele davon, die sämtlich unter demselben Titel hätten laufen können:
Die lustige Minderheit und der weiße Typ.
Der Zweck dieser Serien schien darin zu bestehen, uns deutlich zu machen, dass wir trotz unserer kleinen Unterschiede in Wahrheit alle gleich waren. Ich wartete stets auf einen Hinweis, dass auch ich gemeint war, doch weder Freddie Prinze noch Redd Fox zerkleinerten je einen Nachbarn. Den anderen jedoch schienen diese Serien zu gefallen. Deborah lachte hin und wieder laut auf, und Harry trug ein zufriedenes Lächeln zur Schau, deshalb tat ich mein Bestes, unauffällig mit der fröhlichen Stimmung zu verschmelzen.
Doch mitten in der wichtigsten Szene, als wir gerade lernten, dass wir alle gleich sind, um uns dann zu umarmen, klingelte es. Harry runzelte leicht die Stirn, doch er stand auf und ging zur Tür, ein Auge auf den Fernseher gerichtet. Da ich bereits erraten hatte, wie die Folge ausging, und künstliche Umarmungen voller Mitgefühl mich nicht sonderlich bewegten, beobachtete ich Harry. Er schaltete die Außenbeleuchtung ein, spähte durch den Spion und öffnete
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