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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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einem an die Fremdenverkehrsbehörde geschickten Video ihren Anfang genommen. Nicht überzeugend, doch ein netter Beginn, und ich war erfreut, denn das bewies, dass zumindest gewisse grundlegende mentale Funktionen zu Cyber-Dex zurückkehrten.
    Und wie um das zu bestätigen, kam mir noch ein Gedanke. Mal einen Schritt weiter gedacht: Falls dieser hypothetische Weiss die Geschichte in den Medien verfolgt hatte, was sehr wahrscheinlich schien, würde er wissen, wer ich war, und mich mit ziemlicher Sicherheit als Person betrachten, die es wert war, sich um sie zu kümmern, und zwar im strikt dexteresken Sinn des Wortes. Dexterosen? Vermutlich nicht – es war keine süße Vorstellung, und sie erfüllte mich nicht gerade mit ungezwungener Vorfreude. Es bedeutete, dass ich mich, falls er kam, entweder erfolgreich verteidigen oder mich von ihm fertigmachen lassen musste. So oder so würde es mit großer Unordnung, einer Leiche und jeder Menge öffentlicher Aufmerksamkeit enden, die meiner geheimen Identität galt, dem Tages-Dexter, und das war etwas, was ich nach Möglichkeit vermeiden wollte.
    Alles lief auf eine einzige, simple Tatsache hinaus: Ich musste ihn zuerst finden.
    Keine sonderlich angsteinflößende Aufgabe. Ich hatte mein gesamtes Erwachsenenleben damit verbracht, mich stetig im Aufspüren von Personen und Dingen per Computer zu verbessern. Tatsächlich hatte dieses besondere Talent Debs und mich in unsere gegenwärtige Notlage gebracht, und die Vorstellung, dass dieselbe Fähigkeit uns nun wieder heraushalf, war von einer gewissen Symmetrie.
    Nun gut, an die Arbeit. Zeit, der Fanfare zu folgen und mich an den getreuen Computer zu gürten.
    Und wie stets, wenn ich den Punkt erreicht habe, an dem ich bereit bin, entschlossen, in Aktion zu treten, scheint alles gleichzeitig
     zu passieren.
    Als ich in Vorbereitung auf das Aufstehen soeben tief Luft holte, schlug Chutsky plötzlich die Augen auf und sagte: »Hey, Kumpel, der Arzt hat gesagt …«, wurde aber vom Klingeln meines Handys unterbrochen, und gerade als ich mich melden wollte, trat ein Arzt ins Zimmer und sagte »Nun denn« zu zwei Assistenzärzten, die ihm auf dem Fuß folgten.
    Und wie Maschinengewehrfeuer prasselten sie auf mich ein, der Arzt, das Telefon, Chutsky: »Hey, Kumpel, das ist der Arzt – Pfadfinder; und Astors Freundin hat Mumps – das Nervenzentrum scheint zu reagieren …«
    Wieder einmal freute ich mich, nicht normal zu sein, denn ein normaler Mensch hätte sicherlich seinen Stuhl nach dem Arzt geworfen und kreischend das Zimmer verlassen. Stattdessen winkte ich Chutsky, drehte den Ärzten den Rücken zu und konzentrierte mich auf das Handy.
    »Es tut mir leid, ich habe dich nicht verstanden«, entschuldigte ich mich. »Könntest du das wiederholen?«
    »Ich habe gesagt, es wäre eine große Hilfe, wenn du nach Hause kommen könntest«, sagte Rita. »Falls du nicht zu viel zu tun hast? Weil heute Abend Codys erstes Pfadfindertreffen ist, und Astors Freundin Lucy hat Mumps? Was bedeutet, dass sie nicht zu ihr kann, und einer von uns muss zu Hause bei ihr bleiben? Und ich dachte … Du weißt schon. Es sei denn, du hast wieder so viel zu tun?«
    »Ich bin im Krankenhaus«, erklärte ich.
    »Oh«, sagte Rita. »Na ja, das … Geht es ihr schon besser?«
    Ich sah zu der kleinen Ärztegruppe hinüber. Sie sichteten einen Stapel Unterlagen, die vermutlich Deborah betrafen. »Ich glaube, das werden wir gleich erfahren. Die Ärzte sind hier.«
    »Nun, falls es … ich glaube, ich könnte einfach … ich meine, Astor könnte ja mit zu den Pfadfindern, falls …«
    »Ich fahre Cody zu dem Treffen«, unterbrach ich sie. »Lass mich nur erst mit den Ärzten reden.«
    »Wenn du meinst. Weil, wenn es nicht geht, weißt du …«
    »Ich weiß«, sagte ich, obwohl das eigentlich nicht stimmte. »Ich komme gleich nach Hause.«
    »Sehr gut. Ich liebe dich.«
    Ich legte auf und drehte mich zu den Ärzten um. Einer der Assistenten hatte Deborahs Lid aufgestemmt und musterte nun mit Hilfe einer kleinen Taschenlampe ihren Augapfel. Der richtige Arzt beobachtete ihn dabei, das Klemmbrett in der Hand.
    »Verzeihung«, sagte ich, und er blickte zu mir auf.
    »Ja«, antwortete er mit einem Lächeln, das ich als falsch erkannte. Es war nicht annähernd so gut wie meins.
    »Sie ist meine Schwester«, erklärte ich.
    Der Arzt nickte. »Nächster Angehöriger, in Ordnung.« »Gibt es schon Anzeichen für eine Besserung?«
    »Nun«, erwiderte er. »Das

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