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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Nervenzentrum scheint wieder auf Sendung zu sein, und die vegetative Reaktion ist gut. Auch hat sie weder Fieber noch eine Infektion, deshalb scheint die Prognose angemessen, dass sich ihr Zustand in den nächsten vierundzwanzig Stunden leicht bessern wird.«
    »Das ist gut«, sagte ich hoffnungsvoll.
    »Ich muss Sie jedoch warnen«, fügte er hinzu, mit einem ebenso gefälschten Stirnrunzeln der Bedeutsamkeit und Ernsthaftigkeit. »Sie hat schrecklich viel Blut verloren, was gelegentlich zu einer permanenten Beeinträchtigung der Hirnfunktionen führen kann.«
    »Aber es ist noch zu früh, um etwas zu sagen?«, fragte ich.
    »Genau«, bestätigte er mit einem energischen Nicken. »Ganz genau.«
    »Danke, Doktor«, sagte ich.
    Ich ging an ihm vorbei zu Chutsky, der mittlerweile aufgestanden war und sich in eine Ecke gequetscht hatte, um den Ärzten den freien Zugang zu Deborah zu ermöglichen.
    »Sie wird wieder gesund«, versicherte er mir. »Lass dir von den Typen keine Angst einjagen, sie wird wieder ganz gesund. Denk dran, Dr. Teidel war hier.« Er senkte die Stimme zu wenig mehr als einem Flüstern. »Ich will die Kerle ja nicht beleidigen, aber Dr. Teidel ist höllisch viel besser als die. Er hat mich wieder zusammengeflickt, und ich war noch schlimmer dran als sie.« Er nickte in Richtung Deborah. »Und ich hatte auch keinen Hirnschaden.«
    Angesichts des Pollyanna-Optimismus, den er verströmte, war ich mir dessen nicht so sicher, doch schien ein Streit deswegen sinnlos.
    »Also gut«, sagte ich, »ich komme dann später noch mal hier vorbei. Bei mir zu Hause ist eine Krise ausgebrochen.«
    »Oh«, fragte er stirnrunzelnd. »Ist jemand krank?«
    »Nein«, beruhigte ich ihn. »Es sind die Pfadfinder, um die ich mir Sorgen mache.«
    Gedacht hatte ich den Satz als muntere Abgangszeile, doch ist es nicht komisch, wie selbst diese kleinen Scherze häufig wahr werden?

18
    D ie Höhle der Wölflinge, die Rita für Cody aufgetan hatte, befand sich in der Grundschule Golden Lakes, nur ein paar Meilen von unserem Haus entfernt. Wir kamen ein wenig zu früh und blieben noch einen Augenblick im Auto sitzen, während Cody ausdruckslos beobachtete, wie eine Handvoll Jungen seines Alters in blauen Uniformen zur Schule rannte. Ich ließ ihn einfach dort sitzen und zusehen, da ich dachte, dass uns beiden ein wenig Zeit zur Vorbereitung guttat.
    Autos fuhren vor. Noch mehr Jungen in blauen Uniformen rannten ins Gebäude, offensichtlich voller Vorfreude.
    Jedem, der mit einem Herz ausgestattet war, hätte dieser Anblick gewiss dasselbe erwärmt – ein Vater war so entzückt von dieser Szene, dass er neben seinem Van stehen blieb und den Strom der vorbeilaufenden Jungen mit der Videokamera filmte. Doch Cody und ich blieben einfach sitzen und beobachteten.
    »Sie sehen alle gleich aus«, bemerkte Cody leise.
    »Nur äußerlich. Das kannst du auch lernen.«
    Er starrte mich an.
    »Es ist, als zöge man eine dieser Uniformen an«, erklärte ich. »Wenn man genauso
aussieht,
glauben die Leute, man
sei
auch so. Du schaffst das.«
    »Warum?«, fragte er.
    »Cody«, mahnte ich. »Wir haben bereits darüber gesprochen, wie wichtig es ist, normal zu scheinen.« Er nickte. »Das hier wird dir dabei helfen herauszufinden, wie du dich verhalten musst, damit man dich für ein normales Kind hält. Es ist ein Teil deiner Ausbildung.«
    »Und der andere Teil?«, sagte er mit demselben Eifer, den er zu Beginn gezeigt hatte, und ich wusste, dass er sich nach der Reinheit des Messers sehnte.
    »Wenn du diesen Teil gut bewältigst, nehmen wir den anderen Teil in Angriff«, versprach ich.
    »Ein Tier?«
    Ich sah ihn an, sah das kalte Glitzern in den kleinen blauen Augen und wusste, dass es keinen Weg zurück gab von dort, wohin er bereits gelangt war. Mir blieb nur, auf die lange und komplizierte Formgebung zu setzen, der ich unterzogen worden war. »Also gut«, sagte ich schließlich. »Vielleicht ein Tier.«
    Er musterte mich einen langen Moment, dann nickte er mir zu, und wir stiegen aus und folgten der Meute in die Cafeteria.
    Dort rannten die anderen Jungen – und ein Mädchen – in den ersten Minuten nur umher und machten schrecklich viel Lärm.
    Cody und ich setzten uns ruhig auf unsere winzigen Plastikstühle an einen Tisch, der eben hoch genug war, dass man sich die Knie daran rammte, wenn man versuchte, um ihn herumzugehen. Er sah den anderen ausdruckslos bei ihrem lautstarken Spiel zu und unternahm keinen Versuch, sich zu ihnen zu

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