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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Schlüsselband, an dem eine Trillerpfeife hing. Und wie bei den anderen war auch sein Körper ausgeweidet und mit interessanten Dingen gefüllt worden – in diesem Fall einer Pfadfinderuniform, einem Handbuch und weiteren Ausrüstungsgegenständen. Ich konnte den aufragenden Stiel einer Handaxt und ein Taschenmesser mit dem Pfadfinderabzeichen erkennen. Und als ich mich weiter hinunterbeugte, entdeckte ich außerdem ein körniges Bild, ausgedruckt auf normalem weißem Papier, auf dem in großen schwarzen Buchstaben ALLZEIT BEREIT stand. Das Bild zeigte einen aus einiger Entfernung aufgenommenen, verschwommenen Schnappschuss einiger Jungen und eines Erwachsenen, die eben diese Grundschule betraten. Und obgleich es unmöglich zu beweisen war, wusste ich ganz genau, um wen es sich bei dem Erwachsenen und einem der Jungen handelte.
    Ich und Cody.
    Der vertraute Schwung von Codys Rücken war unverkennbar. Ebenso wie die Botschaft.
    Es war ein äußerst seltsames Gefühl, dort auf dem Pflaster zu knien und ein undeutliches Foto von mir und Cody zu betrachten, während ich mich fragte, ob es jemand bemerken würde, wenn ich es an mich nahm. Noch nie zuvor hatte ich Indizien unterschlagen, doch andererseits war ich auch noch nie eins gewesen. Außerdem war es ganz eindeutig für mich bestimmt. ALLZEIT BEREIT und das Foto. Es war eine Warnung, eine Herausforderung. Ich weiß, wer du bist und wie ich dich kriege. Und ich bin unterwegs.
    ALLZEIT BEREIT .
    Und ich war nicht bereit. Ich wusste bis jetzt weder, wo Weiss steckte, noch kannte ich Zeitpunkt und Art seines nächsten Schritts, doch mir war klar, dass er mir einige Züge voraus war und gleichzeitig den Einsatz beträchtlich erhöht hatte. Diese Leiche war weder gestohlen noch anonym. Weiss hatte Roger Deutsch umgebracht, nicht nur dessen Leiche remodelliert. Und er hatte sein Opfer sorgfältig ausgewählt, um mich zu treffen.
    Zudem war die Drohung äußerst komplex, denn das Bild fügte eine weitere Dimension hinzu – es besagte: Ich könnte dich kriegen, ich könnte Cody kriegen, aber vielleicht lasse ich dich nur auffliegen, zeige, was du, wie wir beide wissen, bist. Dazu gesellte sich die Gewissheit, dass Cody, falls ich enttarnt und ins Gefängnis geworfen wurde, niemanden mehr hätte, der ihn vor dem schützte, was Weiss auch immer tun mochte.
    Intensiv musterte ich das Bild, versuchte zu entscheiden, ob man mich erkennen konnte, ob es das Risiko wert war, es an mich zu nehmen und zu zerstören. Doch ehe ich einen Entschluss fassen konnte, streifte eine unsichtbare schwarze Schwinge mein Gesicht, und die Härchen in meinem Nacken stellten sich auf.
    Bis jetzt hatte sich der Dunkle Passagier in dieser Angelegenheit sehr ruhig verhalten, sich mit einem gelegentlichen desinteressierten Feixen begnügt, doch keine überzeugenden Ausführungen geboten. Nun aber war seine Botschaft eindeutig, und sie wiederholte die des Fotos: Sei bereit. Du bist nicht allein. Und ich war mir beinah sicher, dass in der Nähe jemand stand und mich voll finsterer Absichten beobachtete, mich beobachtete wie der Tiger seine Beute.
    Langsam, vorsichtig, als hätte ich nur etwas im Wagen vergessen, erhob ich mich und ging zurück zum Parkplatz. Unterwegs suchte ich unauffällig die Umgebung ab; hielt nach nichts Besonderem Ausschau, nur der debile Dexter, der vollkommen arglos dahinschlendert, doch hinter dem nonchalanten, geistesabwesenden Lächeln wirbelte schwarzer Rauch, ich suchte nach etwas, von dem ich wusste, dass es mich ansah.
    Und fand es.
    Dort drüben, in der ersten Reihe des Parkplatzes, vielleicht hundert Meter von mir entfernt, mit optimalem Blick auf das Geschehen, stand ein kleiner, bronzefarbener Sedan. Und hinter der Windschutzscheibe glitzerte etwas; Sonnenlicht auf der Linse einer Kamera.
    Noch immer äußerst lässig und vorsichtig, obgleich die Dunkelheit messerfunkelnd in mir röhrte, tat ich einen Schritt in Richtung des Autos. Über die Entfernung hinweg sah ich das helle Blitzen, als die Kamera sich senkte, das kleine, bleiche Gesicht eines Mannes, und die schwarzen Schwingen rauschten und stürzten einen langen Moment zwischen uns …
    … und dann sprang der Wagen an, stieß mit leise quietschenden Reifen aus der Lücke und verschwand vom Parkplatz in den Verkehr. Ich sprintete los, doch trotz meiner Geschwindigkeit konnte ich nur noch die erste Hälfte des Kennzeichens erkennen; OGA und drei weitere Zeichen, die alles Mögliche bedeuten konnten, wenngleich

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