Die schoene Luegnerin
scheute die Stute und wollte wieder bergab stürmen, aber Carrie behielt sie unter Kontrolle. Sie ritten über schlüpfrige Felsen, und die Pferde rutschten, dann kamen sie durch dichtes Gestrüpp, das Carries Gesicht zerkratzte und ihre Kleider zerriß.
Carrie merkte, daß Josh querfeldein die kürzeste Strecke zum Gipfel nahm — weit und breit war kein Weg. Er schien sich überhaupt nicht mehr bewußt zu sein, daß sie hinter ihm war, offenbar dachte er nur noch an seinen Sohn. Als Carries Stute auf felsigen Boden kam, rutschte sie aus und wieherte ängstlich, und Carrie brauchte all ihre Kräfte, um das Tier dazu zu zwingen, weiter bergauf zu gehen. Sie preßte sich mit ihrem ganzen Gewicht an den Rücken und die Flanke des Pferdes und zerrte an den Zügeln. Sie wußte, daß das Tier sofort ins Tal laufen würde, wenn sie auch nur einen Augenblick nachgab. Um ihre Angst zu unterdrücken, fluchte Carrie laut, wie es nur ein Seemann konnte. Sie stieß Verwünschungen, die sie von ihren Brüdern gehört hatte, in sechs verschiedenen Sprachen aus.
Als sie schon dachte, ihre Handgelenke würden brechen, gab die Stute ihren Widerstand auf und trabte weiter bergauf. Ein Blitz erhellte die Nacht. Carrie sah, daß Josh oben auf dem Hang stehengeblieben war und sie beobachtete. Sie war nicht ganz sicher, aber sie glaubte, daß er ihr beifällig zugenickt hatte, ehe er weiterritt.
Als sie den Gipfel erreicht hatten, öffnete der Himmel seine Schleusen. Der kalte Regen durchnäßte Carrie im Nu bis auf die Haut. Josh wartete auf sie, besser gesagt, er sah sich um und versuchte sich zu entscheiden, welchen Weg sie jetzt nehmen sollten.
»Wo sind die Klapperschlangen? « überschrie Carrie den prasselnden Regen. »Haben Sie sie auch gesehen? « Diese Frage hätte sie im Grunde viel früher stellen sollen.
Er sah sie kurz an, nickte, nahm die Zügel auf und wandte sich in Richtung Westen. Carrie blieb dicht hinter ihm — jetzt machte ihr Pferd keinerlei Schwierigkeiten mehr. Nach ein paar Minuten hielt Josh an und stieg ab, während er seinen Blick auf einen großen Felshügel heftete. Der Felsen war in der Mitte gespalten, und der Riß verbreiterte sich nach unten. Josh ging auf den Hügel zu, und Carrie ahnte, daß sich das Schlangennest in dem Spalt befand.
Der strömende Regen nahm Carrie die Sicht, und sie merkte erst, daß Josh neben ihr stand, als ihre Stute zu tänzeln anfing. Er legte eine Hand auf ihr Bein und rief: »Falls mir irgend etwas passieren sollte, suchen Sie Tem allein! «
Carrie nickte stumm. Der Regen tropfte von ihrem Gesicht, als sie zuschaute, wie er sich in den Felsspalt zwängte. Als er die Steinwand berührte, zündete er ein Streichholz an und schirmte die kleine Flamme gegen Wind und Regen mit seinem Hut ab.
Das Zischen der Schlangen übertönte sogar den Regenschauer. Carrie sah im schwachen Schein des Zündholzes die sich windenden Körper in der Felsspalte. Sie hielt den Atem an, als Josh sich noch einen Schritt vorwagte, und ließ die Luft erst wieder aus ihren Lungen entweichen, als Josh zurückging und in Sicherheit war.
»Hier ist er nicht«, schrie er ihr zu. »Ich suche die Umgebung ab. Bleiben Sie hier. «
Carrie hatte nicht vor, dieser Anweisung Folge zu leisten. Sie war keine Frau, die nutzlos auf dem Rücken eines Pferdes saß und zusah, wie andere sich abmühten. Joshs wundervoller Hengst stand unangebunden in der Nähe und kümmerte sich weder um die Blitze noch um das Zischen der Schlangen, aber Carrie wußte, daß sie das ihrer Stute nicht zumuten konnte. Sie ritt ein Stück zurück, bis die Schlangen nicht mehr zu hören waren, und band die Zügel an einer großen Pinie fest.
Sie stemmte sich gegen den heftigen Wind, schirmte mit der Hand ihre Augen gegen den Regen ab und folgte Josh. Als sie ihn erreicht hatte, packte er sie an den Schultern. »Ich hab’ doch gesagt... «
»Nein!« schien die passendste Antwort auf alles, was er sagen wollte zu sein, und sie schrie sie ihm ins Gesicht.
Er wollte keine wertvolle Zeit mit einem Wortgefecht vergeuden. »Dort«, brüllte er zurück. »Suchen Sie unter den Bäumen. «
Carrie entfernte sich von ihm und suchte das Wäldchen in immer größer werdenden Kreisen ab, und mit jedem Schritt wurde ihr deutlicher bewußt, wie nutzlos diese Aktion war. Tem konnte nur drei Meter von ihnen entfernt liegen, und bei dem Regen und Wind hätten sie ihn weder gesehen noch gehört. Und wie konnten zwei Menschen den ganzen Berg
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