Die schoene Luegnerin

Titel: Die schoene Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux

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durchkämmen? Selbst wenn die Männer aus Eternity kamen, konnten sie nicht jeden Felsen und jeden Baum absuchen. Außerdem würde es noch Stunden dauern, bis Hilfe eintraf, denn Carrie bezweifelte, daß die Männer den gleichen Weg wie Josh und sie nehmen würden. Kein Mensch, der noch bei Verstand war, würde das tun.
    Sie schrie auf, als Josh eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie drehte sich zu ihm um und sah seinem Gesicht an, daß er genauso dachte wie sie und daß er nur noch hoffte, Tem durch Zufall zu finden.
    »Ich gehe dort hinauf«, sagte er und deutete auf den Felshügel, in dem sich das Schlangennest befand.
    Carrie nickte und setzte ihre zwecklose Suche fort, aber nur einen Augenblick später hörte sie einen Pfiff, den Josh ausgestoßen haben mußte. Sie rannte auf ihn zu, stolperte, riß sich die Hände auf und rutschte über die regennassen Steine.
    Josh stand neben einer Felskante, und als sie bei ihm war, hielt er ihr einen blauen Fetzen Stoff entgegen. Sie wußte, daß Tem ein blaues Hemd angehabt hatte.
    Josh kletterte weiter, und diesmal blieb Carrie bei ihm. Sie erreichten die Spitze des Felshügels und sahen, daß auf der anderen Seite ein tiefer Abgrund war. So weit sie sehen konnten, war Finsternis.
    »Der Fluß«, rief Josh und deutete nach unten in das schwarze Nichts.
    Carrie überlief ein eisiger Schauer. Das Stück Stoff war der Beweis dafür, daß Tem hiergewesen war, aber wenn er hingefallen war, dann mußte er in die Schlucht gestürzt sein.
    Josh ging weiter, und Carrie starrte in die endlose Schwärze. Als ein Blitz aufzuckte, drehte sie sich um und schrie vor Schreck auf.
    Josh war im Bruchteil einer Sekunde bei ihr. »Was ist? «
    Carrie deutete in die Dunkelheit.
    Wieder kam ein Blitz, und Josh sah sie auch. Einen Moment lang hatte Carrie befürchtet, daß das kleine Mädchen nur ein Produkt ihrer Phantasie gewesen war, aber es stand in ihrer Nähe. Das Kind war kaum älter als sechs und sah eher wie ein wildes Tier als ein Mensch aus. Trotz des strömenden Regens stand das dichte Haar des Mädchens in alle Richtungen von dem kleinen Kopf ab, und es trug abgeschabte, primitive Lederkleidung und keine Schuhe.
    Josh ging auf das Kind zu, aber als erneut ein Blitz die Dunkelheit erhellte, war es verschwunden. »Wo ist er? « schrie Josh in die dunkle Nacht. »Wo ist er? «
    Carrie umfaßte seine Schultern und lehnte den Kopf an seinen Rücken.
    »Sie weiß, wo Tem ist«, sagte Josh. »Ich bin sicher, daß sie es weiß. «
    Beim nächsten Blitz zeigte sich das Kind erneut -diesmal stand es gefährlich nah am Abgrund, und Carrie verschlug es den Atem vor Angst. Das Mädchen deutete nach unten — direkt in die Schlucht.
    »Ist Tem dort unten? « rief Josh. Das Mädchen nickte, und gleich darauf wurde es wieder von der Finsternis verschluckt.
    »Ich gehe hinunter«, erklärte Josh entschieden, während er sich zu Carrie umdrehte. »Bleiben Sie hier und warten Sie auf mich. Ich hole das Seil. Rühren Sie sich nicht von der Stelle. «
    Josh rannte und schlitterte über den Felsen zu den Pferden.
    Carrie bewegte sich keinen Zentimeter vom Fleck, weil sie exakt die Stelle markieren wollte, auf die das Mädchen gezeigt hatte. Jedesmal wenn ein Blitz die Dunkelheit zerriß, hielt sie nach dem Mädchen Ausschau, aber sie sah es nicht. Trotzdem hatte sie das Gefühl, daß die Kleine ganz in der Nähe war und sie beobachtete.
    Josh kam mit dem Seil zurück, aber als er zu einem Baum ging, um es zu befestigen, kreischte Carrie: »Nein! «
    »Ich gehe! « schrie Josh zurück.
    Es dauerte einen Moment, bis Carrie ihm klargemacht hatte, daß sie ihn nicht daran hindern, sondern ihm nur zeigen wollte, wie man das Seil richtig sicherte. Sie nahm ihm das dicke Seil ab und band es geschickt und schnell mit einem einzigen Knoten um den Baum, dann knüpfte sie eine Schlinge und befestigte ein anderes Seil daran. Als sie fertig war, erklärte sie Josh, daß sie ihn so ziehen konnte, wenn er wieder heraufkam und — hoffentlich — Tem in den Armen hielt.
    Als Josh begriff, was sie getan hatte, sah er sie auf eine Art und Weise an, wie sie es von ihm noch nicht kannte: mit Bewunderung und Dankbarkeit.
    Josh hielt sich an dem Seil fest, als er sich über die Felskante gleiten ließ und den Abstieg begann. Es schien fast so, als wüßte er genau, was er tat, und hätte dasselbe schon unzählige Male gemacht.
    Carrie starrte in die Tiefe, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, und lauschte aufmerksam, um