Die schoene Luegnerin
Verstand. «
»Ich bin erst zwanzig — heißt das, daß ich auch dumm bin? «
»Natürlich nicht, du warst so schlau, dich in mich zu verlieben. «
Carrie kicherte unter Tränen.
»Das ist schon besser. Jetzt möchte ich, daß du dich mit mir hier hinsetzt und mir zuhörst. «
»Zuhören? Du hast doch nicht etwa vor, mit mir zu reden? Du willst wirklich mit der Frau, der du deine Liebe gestanden hast, sprechen? Ich kann gar nicht glauben, daß du mir etwas, was die ganze Welt außer mir zu wissen scheint, über dich erzählen willst. Deine... Frau, deine Kinder, dein Bruder, sogar mein Bruder — alle wissen Bescheid. Schau mich nicht so an, du irrst dich, wenn du glaubst, daß ich so naiv bin, nicht zu merken, was um mich herum geschieht. Ring hätte sich gestern ganz anders dir gegenüber benommen, wenn er nicht irgend etwas über dich wüßte. «
Josh zog sie mit sich auf einen Strohballen und legte den Arm um ihre Schultern. »Wo soll ich anfangen? «
»Warum fragst du mich das? Ich weiß nicht genug, um dir in dieser Beziehung einen Rat zu geben. Außerdem — bist du sicher, daß du überhaupt Zeit hast, mit mir zu sprechen? Deine anbetungswürdige, geheimnisvolle, überwältigende Frau möchte doch sicher, daß du die Scheidungspapiere suchst. Besonders viel Ermutigung scheinst du ja nicht zu brauchen, aber wenn du Angst hast, könnten wir ja wie bei Tems Rettung ein Seil um deine Taille binden, bevor du in das Dekollete tauchst, um das Dokument hervorzuholen. Ich bitte dich nur, mir zu erlauben, den Knoten zu knüpfen. «
Josh bedeckte seinen Mund mit der Hand, um sein Lächeln zu verbergen. »Nora ist mit Eric beschäftigt. Hast du ihn nicht gesehen? Er ist sehr groß, blond, und er betet sie an. Er ist etwa zehn Jahre jünger als sie. «
»Sie ist auch älter als du, stimmt’s? « Bei diesem Gedanken war Carrie zum erstenmal seit Noras Ankunft ein bißchen heiterer gestimmt.
»Viel«, bestätigte Josh. »Möchtest du jetzt hören, was ich dir zu sagen habe, oder willst du weiter Gehässigkeiten über Nora ausschütten? «
Carrie brauchte einen Augenblick, bis sie sich entschied. »Ich möchte alles hören«, sagte sie schließlich.
»Meine Eltern waren beide wenig erfolgreiche Bühnenschauspieler. Mein Vater hätte sicherlich mehr Chancen gehabt, wenn er nicht jeden Tag mindestens eine Flasche Fusel getrunken hätte — na ja, wie auch immer, ich bin in Theatergarderoben und schmuddeligen Hotelzimmern aufgewachsen. Als ich acht Jahre alt war, starb mein Vater und... «
»Wie? Woran ist dein Vater gestorben? «
»Er ist vom Bordstein auf die Straße gefallen und von einem Bierwagen überfahren worden. Wahrscheinlich war das genau der Tod, den er sich gewünscht hätte. «
Carrie hörte Joshs Stimme an, daß er keinerlei Liebe für seinen Vater empfand.
»Meine Mutter hatte zu der Zeit auch den ersten Frühling als Schauspielerin hinter sich — sie war auch dem Whisky zu sehr zugetan —, und sie bekam nicht einmal mehr hin und wieder eine kleine Rolle. Als ich zehn war, antwortete sie auf eine Heiratsannonce, die sie in der Zeitung gelesen hatte, fuhr nach Eternity, Colorado, und heiratete einen einsamen Witwer — Mr. Elliot Greene. Er besaß ein kleines Haus und hatte einen erwachsenen Sohn. «
»Hiram? «
»Ja, Hiram. « Joshs Miene verhärtete sich. »Hiram war schon immer ein unerträglich tyrannischer Wichtigtuer, und er hatte die ganzen Jahre die volle Aufmerksamkeit seines Vaters. Als ich in die Familie kam, war er außer sich vor Wut. « Josh machte eine Pause, dann lächelte er. »Ich habe mich mit Mr. Greene sehr gut verstanden. Er war ein netter, freundlicher Mann, und er hat auch nach dem Tod meiner Mutter für mich gesorgt. Aber er starb, als ich sechzehn Jahre alt war, und sein aufgeblasener Sohn erbte alles. Gleich nach dem Begräbnis eröffnete mir Hiram, daß er mich aus dem Haus jagen würde, wenn ich ihm nicht absoluten Gehorsam leiste. Ich hab’ ihm die Mühe erspart. Ein paar Stunden später bin ich von selbst gegangen. «
»Und was hast du getan? «
»Das einzige, von dem ich eine Ahnung hatte: Ich ging zur Bühne. «
Er ließ Carrie Zeit, die letzten Puzzleteilchen selbst zusammenzufügen. »Der große Templeton«, murmelte sie und sah das Lächeln auf Joshs Gesicht. »Joshua Templeton... Ich habe schon von dir gehört. «
»Oh? « Joshua hob spöttisch eine Augenbraue, als wollte er sagen: >Natürlich hast du von mir gehört, die ganze Welt hat von mir
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