Die schöne Mätresse
Andreas Hochzeit treffen. Vielleicht sollte er dort beobachten, wie sie sich ihm und Brent gegenüber verhielt. Außerdem würden ihn die anderen Anwesenden davon abhalten, sie zu sehr zu bedrängen. Aber wie sollte er sie nach so langer Zeit wieder sehen, ohne ihr seine Gefühle zu gestehen?
Verdammt, welch nutzloser Idiot doch aus ihm geworden war! Mit einem lautstarken Fluch wischte er den Brief von der Bank.
Emily folgte Billingsly den Korridor entlang, während ihr das Herz bis zum Halse schlug. Während ihres Rittes zum Portland Square hatte sie immer wieder an Miss Marlowe gedacht, die nicht gezögert hatte, den Mann ihrer Träume zu erobern.
Doch Emily, die so stolz auf ihre Selbstständigkeit war, hatte in ihrem Leben stets den Männern den ersten Schritt überlassen. Andrew hatte ihren und seinen Vater über ihre Heirat in Kenntnis gesetzt und ihre Flucht geplant, Evan hatte den Kurs ihrer Beziehung bestimmt. Sie hatte sich hinter den Erinnerungen an ihren toten Mann versteckt, um sich nicht ihre wachsende Liebe zu Evan eingestehen zu müssen.
Besaß sie nun wirklich den Mut, ihm ihre Liebe zu erklären, auch wenn sie eine Zurückweisung riskierte?
Vor der Tür zur Bibliothek blieben sie stehen. „Er ist draußen im Garten, Lady Auriana“, sagte der Butler. „Wie Sie verlangt haben, werde ich Sie nicht melden.“
Sie nickte stumm. Der Butler verbeugte sich, und sie meinte, ein Lächeln auf seinem Gesicht zu erkennen, bevor er sie verließ. Gütiger Himmel, war der Grund ihrer Anwesenheit denn so offensichtlich?
Sie hatte den Raum bereits halb durchquert, als ihr Blick auf das Gemälde über dem Kamin fiel. Ihre Aufregung legte sich ein wenig. Evan musste immer noch etwas für sie empfinden, wenn er ihr Bild in der Bibliothek aufbewahrte, wo er sich, wie Billingsly gesagt hatte, bevorzugt aufhielt.
Ihr Puls begann zu rasen, als sie Evan entdeckte. Sie atmete tief durch und öffnete die Türen zum Garten.
„Stellen Sie den Tee auf der Bank ab, Billingsly.“
Offensichtlich hatte er Schritte gehört, aber da sie sich von der Seite seines bandagierten Auges näherte, hatte er sie nicht gesehen.
„Hallo, Evan“, flüsterte sie.
Er zuckte zusammen. „Emily?“ fragte er atemlos, ohne sich zu ihr umzuwenden.
„Ja.“ Als sie näher kam, waren all ihre zurechtgelegten Worte vergessen.
Er hatte sich tatsächlich verändert. Die hässliche Narbe über seinem Auge war leuchtend rot, heilte jedoch bereits. Er hatte die rechte Schulter hochgezogen, während seine Hand nutzlos in seinem Schoß ruhte. Seine Gesichtsfarbe wirkte gesund, wenn auch blass, und sein Haar glänzte. Und sein Körper wirkte so mächtig und eindrucksvoll wie immer.
Sie wollte schon zu ihm laufen, doch er blieb ruhig sitzen. Er warf ihr nicht einmal einen Blick zu. Unsicher blieb sie stehen. „Geht es dir gut?“
„Ja. Schon viel besser, danke. Bitte, nimm Platz.“
Andrea hatte sie darauf vorbereitet, dass er sich anders verhielt. Dies war jedoch schlimmer, als sie erwartet hatte. Sie setzte sich auf einen Stuhl neben der Bank.
„Andrea erzählte mir, du hättest ihr Brautkleid entworfen.“
„Ja.“
„Sie ist ganz begeistert davon – Mama ebenfalls. Etwas in Blau, glaube ich? Die Farbe steht ihr ausgezeichnet.“
„Ja, es schmeichelt ihrem Haar und ihren Augen. Ich bin froh, dass es ihr gefällt.“
Wenn sie noch mehr banale Höflichkeiten austauschten, würde sie schreien. Jede Faser ihres Körpers war angespannt, und sie hätte sich am liebsten in seine Arme geworfen.
Ihm schien ihre Anwesenheit indes völlig gleichgültig zu sein. Die Liebe, die er einmal für sie empfunden hatte, schien verflogen.
Doch sie war bereits so weit gegangen, und nun würde sie es beenden. Sie würde ihm tapfer erklären, warum sie hier war – ob er sie nun liebte oder nicht. Aber wie sollte sie beginnen? Schließlich konnte sie nicht einfach fragen, ob er sie noch liebte.
„Ist Brent auch hier?“ erkundigte Evan sich unvermittelt.
„Nein. Er hat London für eine Weile verlassen und besucht seine Farm in Irland.“
„Dort hält er sich immer um diese Jahreszeit auf. Sicher wird er bald zurückkommen. Er wird dich nicht lange missen wollen.“
„Wir sehen uns in letzter Zeit nicht mehr oft.“
Er drehte sich leicht zu ihr. „Ihr … Emily, habt ihr euch gestritten? Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass ihr inzwischen verlobt seid.“
„Verlobt?“
„Ja. Brent gab mir zu verstehen, du würdest bald seinen
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