Die schöne Mätresse
dass Emily ein Kind von ihm bekommen könnte. Nicht das Kind eines anderen Mannes, sondern sein Kind. Plötzlich wurde ihm mit aller Deutlichkeit bewusst, dass er ein solches Kind niemals aufgeben oder zulassen könnte, dass es als Bastard geboren würde.
Seine Gedanken spiegelten sich offenbar auf seiner Miene wider, denn seine Mutter schüttelte traurig den Kopf. „Du verstehst, was ich dir sagen wollte. Mein Sohn, es tut mir so Leid, dass es dich schmerzen wird, aber du musst mit ihr brechen. Du musst! Jetzt, Evan, bevor etwas geschieht, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.“
Zu seinem Unbehagen hatte sie Recht. Sie zwang ihn lediglich, die Wahrheit zu erkennen, die er die ganze Zeit über verdrängt hatte. Er verspürte ohnmächtigen Zorn. Mit Emily brechen? Bei der bloßen Vorstellung hatte er das Gefühl, als würde ihm ein Dolch ins Herz gestoßen!
Zuerst Richard, nun Emily? Er hatte schon mehr verloren, als er ertragen konnte. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, dem Dilemma zu entrinnen.
„Habe ich nicht immer getan, was notwendig war?“
„Dann musst du mit ihr Schluss machen und eine andere Verbindung eingehen. Ob mit Andrea oder einer anderen, ist gleichgültig, solange sie geeigneter Herkunft ist. Nur eine förmliche Verlobung wird dich daran hindern, die unangemessene Liaison weiterzuführen. Mein Liebling, ich weiß, dass diese Zeit nach Richards Tod für dich sehr schwer ist. Aber später wirst du froh sein, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.“ Beinahe flehend drückte sie seine Hände.
Er konnte ihre Berührung kaum noch ertragen. Aufgewühlt wandte er sich ab und zwang sich zu einem ruhigen Tonfall. „Wage es nicht, mich in meinen Pflichten zu unterweisen!“
Bei seinen schroffen Worten zuckte sie zusammen, und Tränen schimmerten in ihren Augen. Doch sie begegnete tapfer seinem Blick. „Wenn du deine Pflichten kennst, dann komm ihnen nach.“
Wütend sprang er auf. „Nun gut. Wenn ich schon jemanden ‚geeigneter Herkunft‘ heiraten muss“, rief er verächtlich, „dann kann es ebenso gut Andrea sein. Ich werde um ihre Hand anhalten, sobald sie sich ausreichend erholt hat, um mich anzuhören. Du sollst deine gesellschaftlich akzeptable Hochzeit haben. Aber verlange nicht noch mehr von mir.“
Sie legte die Hand auf seinen Arm. „Liebster Evan, ich wollte nicht …“
„Lass mich los!“
Schluchzend schlug sie die Hände vors Gesicht und nickte stumm. Evan stürmte aus dem Salon, ohne sie noch einmal anzusehen.
10. KAPITEL
T rotz seiner Erschöpfung verzichtete Evan auf sein Reitpferd oder die Kutsche und ging zu Fuß zu Emilys Haus. Er brauchte etwas Zeit, um seine aufgebrachten Gefühle zu beruhigen und eine Entscheidung zu treffen.
Doch so gründlich er auch alle Alternativen erwog, die Wahrheit in den Worten seiner Mutter ließ sich nicht leugnen.
Er konnte Emily nicht heiraten. Falls er es trotzdem tat, würde er für immer den Ruf seiner Schwester ruinieren, denn keine Familie von Stand wünschte eine Verbindung mit einem Mädchen, dessen Bruder nicht einmal seine eigenen Pflichten kannte. Und Andrea würde vermutlich ebenfalls unvermählt bleiben, wenn er sie nicht heiratete. Es gab keine andere Möglichkeit, der Ehre gerecht zu werden und sein Versprechen zu halten. Oh Richard, dachte er traurig, warum hast du das von mir verlangt?
Wie konnte er Andrea heiraten, ohne Emily zu verlieren?
Sie könnten immerhin Freunde bleiben, oder? Er würde sie von Zeit zu Zeit besuchen, mit ihr plaudern, seine Hoffnungen und Träume mit ihr teilen …
Aber es würde nicht dasselbe sein, da er nicht mehr frei wäre. Und ihre kostbaren gemeinsamen Stunden würden sogar noch rarer sein als in den Tagen seit Andreas Ankunft in London.
Dennoch war es der einzige ehrenvolle Weg, Andrea zu heiraten, war der einzig akzeptable Weg – also würde er es tun. Aber warum fühlte es sich dann so falsch an?
Wenn er erst einmal seine Pflicht erfüllt hatte, würde das Unbehagen sicher von ihm weichen. Andrea würde es ihm leicht machen – sie waren stets Freunde gewesen. Insgeheim wusste er jedoch, dass er selbst die unschuldige Andrea voller Abneigung betrachten würde, wenn er zu dieser Ehe gezwungen wurde. Schnell schob er den Gedanken beiseite.
Für einige wenige Tage – so lange, bis Andrea sich genug erholt hatte, um über seinen Antrag nachzudenken – würden er und Emily so fortfahren wie bisher. Er konnte sie beim Tee beobachten, während sie
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