Die schöne Mätresse
unterstützte sie die Witwe seines Bruders und half ihr, eine gute Partie zu machen. Zweifellos würde sie sich damit seine ewige Dankbarkeit sichern, sogar im schlimmsten Fall, wenn Emily nicht erfolgreich war. Emily spürte, dass Natalie die Liebe ihres Mannes wichtiger war als alles andere. Dasselbe hatte sie selbst auch für Andrew gefühlt.
Emily begann, die Klugheit und den Mut ihrer Schwägerin aufrichtig zu bewundern. Daher beugte sie sich endlich der Übermacht. „Nun, dann werde ich meine Meinung wohl ändern müssen“, sagte sie lächelnd.
„Wundervoll! Du wirst es nicht bereuen.“ Natalie drückte Emilys Hand. „Wie auch immer, wenn wir uns nicht von Robert in irgendwelche verrückten Pläne hineinziehen lassen wollen, sollten wir lieber unsere eigenen schmieden.“
14. KAPITEL
M ehrere Wochen später erreichte Evan auf seinem erschöpften Hengst endlich die London Bridge. Es war früher Abend, und es regnete in Strömen. Evan war müde und durchnässt. Vor drei Tagen war er aufgebrochen, um sich an der Küste mit Geoffrey Randall zu treffen. Er hatte es kaum erwarten können, aus erster Hand zu hören, was sein Freund und Assistent auf dem Kontinent erfahren hatte. Aber Geoffrey war nicht gekommen. Obwohl Evan sich einen Tag geduldet und jeden Kapitän der anlegenden Schiffe befragt hatte, fand er dennoch keine Spur des Mannes.
Tief in Gedanken lenkte er sein Pferd auf die Brücke. Er brauchte ein heißes Bad, trockene Kleidung und Essen, bevor er zum Kriegsministerium zurückkehrte und versuchte, das Rätsel zu lösen. Hatte Geoffrey seine Nachricht nicht erhalten? War er auf eine wichtige neue Information gestoßen, die ihn an der Einhaltung des Termins gehindert hatte? Oder war etwas anderes passiert?
Sosehr er auch darauf brannte, das Rätsel zu lösen, es würde keine zu große Verzögerung verursachen, wenn er sich kurz frisch machte. Schließlich war Randall Hunderte von Meilen entfernt. Doch als er nach Norden in Richtung Mayfair ritt, zog ihn ein altbekanntes Verlangen zu Emilys Straße.
Er konnte vorbeireiten, immerhin war es eine öffentliche Straße. So schmutzig und unrasiert, wie er war, würde er ohnehin nicht dort Halt machen. Abgesehen davon würde sie ihn auch nie mehr empfangen.
Dennoch schlug sein Herz plötzlich schneller, als sich die vertrauten Silhouetten der Gebäude vor dem grauen Himmel abhoben. Vor Emilys Haus zügelte er den Hengst. Zu seiner Überraschung waren die Fenster dunkel. Dann bemerkte er, dass der Türklopfer fehlte.
Einen Moment lang hielt er verwirrt inne. Hatte das Personal den Klopfer womöglich abgenommen, um ihn zu polieren? Er hielt es für unmöglich, dass sie London verlassen hatte. Wohin sollte sie auch gehen? Soweit er wusste, hatte sie weder Familie noch Freunde, abgesehen von der Offiziersfrau, die in ihren Laden gekommen war.
Ein weiterer Grund für ihre Abwesenheit kam ihm in den Sinn, und ihm stockte unwillkürlich der Atem. Hatte sie ihr gefürchteter Schwiegervater letztendlich doch aufgespürt? Vielleicht wollte der Mann seine Schuld wieder gutmachen und hatte Emily zu sich geholt. Oder würde er ihr ihren Sohn nehmen und sie verbannen, sodass sie allein und mittellos in irgendeinem abgelegenen Dorf hausen musste?
Zu Beginn ihrer Liaison hatte Evan versucht, mehr über den Hintergrund der Frau zu erfahren, die ihn so faszinierte. Also hatte er Mr. Manners bedrängt, Informationen über sie zu sammeln. Kurze Zeit später hatte ihm der Anwalt mitgeteilt, dass er keine Adelsfamilie mit dem Namen Spenser gefunden habe. In der Gesellschaft kannte man niemanden, der so hieß. Er hatte zwar angeboten, weiter nachzuforschen, doch Evan hatte abgelehnt – in der Hoffnung, Emily würde sich ihm bald selbst anvertrauen.
Nun wünschte er jedoch, er hätte darauf bestanden. Er brauchte Gewissheit, dass sie in Sicherheit war. Doch wie sollte er sie finden?
Er konnte Brent über ihren Aufenthaltsort befragen – aber das wollte er sich als letzte Möglichkeit aufheben. Vielleicht würde ihm der Klatsch behilflich sein. Falls Emilys Schwiegervater tatsächlich von hohem Rang war, würde seine Wiedervereinigung mit dem verschollenen Enkel sicher Gerede nach sich ziehen.
Nun, es war ohnehin Zeit fürs Dinner. Evan beschloss, seiner Familie aus dem Weg zu gehen – und den endlosen Fragen, die seine Rückkehr mit sich bringen würde. Stattdessen würde er sich in sein Haus schleichen, um sich kurz zu waschen und umzukleiden. Anschließend würde
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