Die schöne Mätresse
zurechtkommen. War ihr das nicht schon all die Jahre gelungen?
Sie schloss die Augen und versuchte die Hoffnung zu unterdrücken, dass sie womöglich endlich ein Heim gefunden hatte. Die Frau, der als sechzehnjähriger Kindbraut vom Vater die Tür gewiesen worden war, würde nach Hause kommen.
„Auriana …“ Ihre Schwägerin lächelte sie an. „Ich finde, wir sollten auf Förmlichkeiten verzichten, denn wie es scheint, wirst du von nun an bei uns leben. Und ich willige nicht nur ein, um Robert zufrieden zu stellen. Vielleicht ist es töricht von mir, eine Frau in meinem Heim aufzunehmen, die von meinem Ehemann so bewundert wird – und noch dazu wunderschön ist. Aber er hat Recht. Du und dein Sohn gehören zur Familie, und deshalb müsst ihr bei uns bleiben.“ Natalie streckte die Hand aus.
Gerührt ergriff sie Emily. „Danke. Ich hoffe, wir werden Freundinnen, obwohl es genügt, wenn du einfach meine Anwesenheit akzeptieren könntest. Dieser Plan von Rob, mich vorzustellen, ist unmöglich! Hilf mir, ihn umzustimmen. Du bist ein Mitglied der Gesellschaft und weißt auch, dass meine Anerkennung in der Aristokratie viel schwieriger sein wird, als Rob denkt.“
Natalie seufzte. „Nein, es wird sicher nicht leicht sein. Robert erwähnte, dass deine Eltern tot sind. Hast du noch weitere Angehörige?“
Emily schüttelte den Kopf. „Nein, niemanden. Da Mama ein Jahr nach meiner Heirat starb und Papa mir nie verziehen hat, waren bei seinem Tod die anderen entfernten Verwandten der Überzeugung, ich sei ebenfalls nicht mehr am Leben. Offensichtlich hat er das allen erzählt, nachdem ich mit Andrew weggelaufen war.“
„Also hast du niemanden, der sich für dich verbürgen könnte? Der dich, abgesehen von Robert, bei dem Ball präsentieren könnte?“
„Ich fürchte nicht.“
Zu ihrer Überraschung warf Natalie den Kopf zurück und lachte. „Oje, das ist tatsächlich ein verzweifeltes Unterfangen! Sozusagen ein Frontalangriff auf die Gesellschaft, wobei wir Vorurteile zerschmettern und Alliierte gewinnen müssen, die uns unterstützen – so wie in der Armee, die Robert so liebt.“
Emily nickte. „Ebendies fürchte ich auch. Leider stehen auch dein Ansehen und guter Ruf auf dem Spiel. Ich möchte keinesfalls, dass du meinetwegen leidest. Nein, wir müssen ihn dazu bewegen, diesen Plan fallen zu lassen.“
„Nun ja …“ Natalie stützte den Kopf auf ihre Hand und musterte Emily nachdenklich. „Ich bin absolut nicht so feige und nachgiebig, wie du vielleicht zuerst dachtest. Wenn Roberts Meinung über dich zutrifft, dann ist es dein gutes Recht, deinen Platz in der Gesellschaft wieder einzunehmen. Außerdem …“ Als Natalie lächelte, erschienen zwei Grübchen auf ihren Wangen und ihre Augen funkelten verschwörerisch. Emily gewann einen Eindruck von dem Charme, der ihren verwegenen Schwager vor den Traualtar gelockt haben musste. „Ich bin nicht so sicher, ob ich ihn wirklich umstimmen will. Gewiss, es dürfte beinahe unmöglich sein, die Akzeptanz der Gesellschaft zu erlangen. Dennoch wäre es vielleicht die beste Lösung für uns alle, meine bezaubernde Schwägerin mit allein stehenden Gentlemen bekannt zu machen. Möglicherweise wäre einer unter ihnen, den mein Mann als respektabel und wohlhabend genug erachtet, um für dich zu sorgen.“
„Du willst mir einen Gatten suchen?“ Emily lachte. „Wie raffiniert von dir! Doch selbst wenn ich wieder heiraten wollte …“ Sie verdrängte schnell den Schmerz in ihrer Brust. „Männer müssen ebenso an den Ruf ihrer Familien denken wie Frauen, wenn sie eine Ehe eingehen. Ich habe mitten in London ein Geschäft betrieben, und somit bin ich ein hoffnungsloser Fall. Kein respektabler Mann wird um meine Hand anhalten. Und stell dir die Blamage für uns alle vor, falls mein gesellschaftliches Debüt scheitert! Nein, ich werde es lieber gar nicht erst versuchen.“
„Mag sein, dass wir Schiffbruch erleiden, aber bedenke die Vorteile, die eine solche Verbindung deinem Sohn bringen würde.“
Der Protest erstarb auf ihren Lippen. Es ließ sich nicht leugnen, dass sie als angesehenes Mitglied der Gesellschaft Drew am besten den Weg ebnen konnte. Das Risiko einer persönlichen Blamage war nichts im Vergleich zu der Achtung, die er dadurch erringen konnte.
Drew war ihre Achillesferse, und Natalie hatte diese Tatsache instinktiv erkannt. Indem sie Emily protegierte, würde Natalie in den Augen ihres Mannes zu einer Heldin werden. Schließlich
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