Die schoene Muenchnerin
hat sie nicht erkannt.«
»Kruzefix! Was passiert jetzt mit ihr?«
»Ich hab gesagt, sie sollen sie vorerst auf dem Revier behalten.«
»Was ist mit ihrem Auto?«
»Schon überprüft. Stand beim Wetterstein . Da war nur Hummels Tasche drin und ein paar Schuhe, wie sie es gesagt hat.«
»Keine Perücke, Kontaktlinsen?«
»Nein. Auch kein Laptop.«
»Hatte sie ein Zimmer im Wetterstein ?«
»Nein.«
»Wo könnte sie das Zeug deponiert haben? Wir müssen die Gegend um die Hotels absuchen.Und wir brauchen einen Durchsuchungsbeschluss für ihre Wohnung in München.«
Mader schüttelte den Kopf. »Doris, so geht das nicht. Viel zu aufwendig. Und bei der Faktenlage kriegen wir beim Staatsanwalt nie und nimmer einen Beschluss. Die hat sicher einen guten Anwalt.«
Dosi sank auf die Bank und murmelte: »Wir können nichts machen. Wir haben nichts in der Hand. Niemanden, der sie belastet.«
»Doch«, sagte Gesine. »Hummel wird aussagen. Ihr habt doch gesagt, er ist doch, also, ich mein, ein zäher Hund …«
Bajazzo spitzte die Ohren. Was redeten die schon wieder? Hummel war doch kein Hund. Er war ein Mensch. Ohne Zweifel. Bajazzo war sich sicher, dass die Ärzte Hummel wieder zusammenflicken würden. Wer sollte denn sonst mit ihm im Englischen Garten und in den Max-Anlagen auf die Pirsch gehen? Das sah Hummel sicher genauso.
BRENNGLAS
Für Anfang November war es definitiv zu warm. Die Sonne brazte am Himmel, die Wiesen zeigten noch mal unnatürlich grünes Grün. Mäntel und Daunenjacken waren wieder in den Schränken verschwunden. Für den Leichenschmaus war im Tassilogarten reserviert. Bei schönem Wetter sollte der Biergarten eingedeckt werden. Und es war schönes Wetter.
Als ob sich jetzt ein Kindheitstraum erfüllte. Die Menschen, die ihm etwas bedeuteten, und noch ein paar mehr hatten sich eingefunden, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Und sie waren alle sehr traurig. Erschüttert vom Verlust eines Menschen, dessen wahre Größe sie erst langsam erahnten. Jetzt, zu spät. Sie standen vor der Aussegnungshalle des Ostfriedhofs und warteten auf Einlass. Alle waren gekommen: seine Eltern, Zankl mit Frau, Mader mit Bajazzo und seiner Exfrau, Dosi mit Fränki, Günther samt Gattin, seine alte und seine neue Agentin. Und sogar Beate.
Nun betraten sie alle die Aussegnungshalle, nahmen Platz, richteten ihre tränennassen Blicke auf den reich geschmückten Sarg. Seine Mutter sprach ein paar hilflose Worte, dann sein Vater. Beide mit tränenerstickten Stimmen. Dass ausgerechnet der Tod des gemeinsamen Kindes die beiden zusammenbringen sollte! Tragisch. Sehr tragisch. Die Luft war bleischwer. Bajazzo schnüffelte. Von außen wehte Nudel- und Biergeruch herein. Bernbacher und Paulaner . D er Geruch, der ihn jahrelang in der Orleansstraße begleitet hatte. Weit war er nicht gekommen. Der Ostfriedhof lag keine fünfhundert Meter von seiner Wohnung entfernt. Kurze Wege. Das hatte er an Haidhausen immer gemocht.
Jetzt war Hummel gespannt, denn Zankl ging ans Pult, um auch ein paar Worte zu sagen. Nur ganz wenige, aber er sagte die richtigen: »Ich spreche für mich und für meine Kollegen. Klaus Hummel war ein toller Polizist und ein echter Freund, auf den man sich immer verlassen konnte. Selbstlos, immer mit einem offenen Ohr für die Probleme der anderen, immer mit einem aufmunternden Wort und voller Fantasie. In der Arbeit und privat. Ein wirklich außerordentlicher Mensch, unangepasst, uneitel, ein liebenswerter Lebenskünstler.«
Als Zankl geendet hatte, setzte die Musik ein. Hummels Herz machte einen Sprung. Seine Band spielte eine wunderbare akustische Version von Ben E. Kings Stand by me . S pätestens jetzt flossen bei allen die Tränen. Hummel war zufrieden. Das war echte Anteilnahme. Daran hatte er keinen Zweifel, als er all das betrachtete. Aus seiner abstrakten Perspektive. Irgendwie mittendrin und von oben zugleich. Seine Seele schwebte im Raum, sie war wie ein Flaschengeist seinem sterblichen Körper entwichen, der jetzt in dem mit Blumen überhäuften Sarg lag. Er lauschte der Musik. Warum hatten sie das zu seinen Lebzeiten nie so schön hingekriegt? Das Zarte, das Leichte und Gefühlvolle. Er musste diesen Sound im Kopf behalten. Denn das war das Letzte, was er jemals zu hören bekommen sollte. Dachte er. Gleich ging es hinaus in die ewige Stille, ins Jenseits, in einen körper- und konturlosen Raum. Es würde sich weisen, wohin er nach dem Fegefeuer des Krematoriums fahren würde. Hinauf in
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