Die schoene Muenchnerin
Nein, da stimmte etwas nicht. Diese Person hatte hier unten nichts verloren. Beate!? Er riskierte einen Blick.
Beate!
Er schloss die Augen sofort wieder und betete lautlos: ›Herr, so vergib mir meine Sünden, ich bereu sie ach so sehr!‹
Wieder hörte er Beates Stimme: »Hummel! Ich bin’s, Beate! Jetzt mach doch die Augen auf!«
›Im Leben nicht!‹, dachte Hummel. Aber jetzt erklang es wieder: »Wenn’s Wetter so schee is und s’Bier schmeckt guad – d’Leit essn Radi …«
»Mach das aus«, stöhnte Hummel und öffnete die Augen. »Beate?«
Beate schaltete den CD-Player aus. »Du erkennst mich?«
»Dich würd ich immer erkennen, meine schöne Münchnerin.«
Beate lachte, dann traten ihr die Tränen in die Augen. »Mann, bin ich froh, dass du aufgewacht bist.«
»Hab ich geschlafen?«
»Könnte man sagen.«
Hummel sah sich um – ein Klinikzimmer – und bemerkte, dass auf dem Baum vor dem Fenster Schnee lag. »Is leicht scho Winter?«, fragte er erstaunt.
»Januar.«
»Sauber. Wenn die fünfte Kerze brennt, hast du Weihnachten verpennt.«
»So ist es.«
»Hey, ich hätte im November auf deiner Hochzeit spielen sollen.«
»Geschenkt.«
»War’s schön?«
»Vielleicht wär’s schön gewesen … Ich hab’s nicht gemacht.«
Hummel richtete sich auf. »Du hast nicht geheiratet?«
»Nein.«
Er strahlte.
Sie lächelte. »Übernimm dich nicht. Werd jetzt erst mal gesund, und dann schau ma mal.«
Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und ging. Er sank zurück ins Kissen, glücklich.
Schau ma mal!
VERLOREN UND GEWONNEN
Hummel hatte drei Monate verloren. Einfach so. Was hieß hier ›verloren‹? Er hatte ein ganzes Leben gewonnen. Er war aus dem Reich der Toten zurückgekehrt. Er freute sich über die Blumen auf seinem Nachttisch, über die vielen Karten mit den Genesungswünschen. Es war sogar eine von seiner Mutter und seinem Vater dabei. Von beiden gemeinsam!
Und es kümmerte ihn auch nicht wirklich, dass seine Kollegen dann doch etwas enttäuscht waren, dass er nichts zum Tathergang auf dem Felsplateau sagen konnte. Ausradiert. Der schwere Sturz. Was für das Strafmaß auch nicht mehr relevant gewesen wäre, denn Chris Winter wartete bereits auf ihr Urteil, das gar nicht anders ausfallen konnte als lebenslänglich.
EXZELLENT
Dr. No war der Schlüssel, um die Blackbox Chris Winter zu knacken. Als Zankl mithilfe von Fränkis erstaunlichem Computerwissen die Geldströme von und zu seiner Klinik noch einmal ganz genau untersucht und daraufhin ein bemerkenswertes Gespräch mit dem Salzburger Baustoffhändler und Mitbetreiber der Klinik am Chiemsee geführt hatte, verfügte er über genug Material, um Nose unter Druck zu setzen. Die Bilanzen der Chiemsee-Klinik waren nur nach außen auf defizitär getrimmt. In Wahrheit lief dort die reinste Fließbandarbeit an prominenten Gesichtern, Busen und anderen Körperteilen. Höchst profitabel. Nichts Illegales aus gesundheitlicher Sicht, kein Organhandel, doch die kreative Buchführung von Dr. No war Steuerhinterziehung reinsten Wassers. Hier wurden Verluste ausgewiesen, die es gar nicht gab. Steuerbetrug in Millionenhöhe – aber kein Mord. Gesine war es, die charmant die Botschaft an den Mann brachte: Informationen über illegale Organgeschäfte gegen den Luxus einer späten Selbstanzeige beim Finanzamt, so der Deal. Auf den Dr. No nach kurzer Beratung mit seinem Rechtsanwalt Dr. Steinle einging. Nose wollte von seiner Existenz retten, was zu retten war – auch wenn er wohl kaum weiterpraktizieren konnte. Er hängte sich jedenfalls richtig rein.
Seine Verbindungen waren exzellent. Er sammelte die entscheidenden Tipps ein, welche Kliniken im Ausland welche Produkte anboten und wen man fragen musste, wenn man ganz spezielle Wünsche und Bestellungen hatte. Und schnell kristallisierte sich heraus, wer die Kontaktperson in München für so manch dubiose Praktik im Schönheitsgewerbe war: Chris Winter. Bald wussten sie, wie das ebenso perverse wie lukrative Geschäftsmodell der Agenturchefin im Detail aussah: ein Ersatzteilhandel internationalen Ausmaßes, noch im Testlauf, aber kurz vor der Serienreife.
Bei der Vernehmung von Chris Winter zahlte sich Zankls Fortbildung in Verhörtechniken in Nürnberg aus. Er beeindruckte Dosi und Mader mit furiosen Auftritten zwischen ›guter Polizist‹ und ›paranoider Psychocop‹ – beängstigend! Vielleicht kompensierte er damit sein zerrüttetes Nervenkostüm, das den schlaflosen Nächten
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