Die schöne Rivalin
lange, ehe etwas geschah. Endlich ließ sich der junge Mann wieder vernehmen.
»Fräulein Sonja hat keine Zeit«, sagte er knapp. Mischa hätte fast den Hörer fallen lassen, so entgeistert war er.
»Haben Sie ihr denn gesagt, wer am Apparat ist?« fragte er laut.
»Natürlich.«
»Und was hat sie geantwortet?«
»Genau das, was ich Ihnen bereits mitteilte: Keine Zeit!«
»Danke.«
Mischa Heideck legte auf und steckte sich eine Zigarette an. Er konnte sich auf Sonjas Verhalten keinen Vers machen. Erst meldete sie sich aus eigenem Antrieb und schlägt ein Wiedersehen vor – und jetzt stellt sie sich widerborstig an wie ein Kaktus. Irgend etwas konnte da doch nicht stimmen. In den vergangenen Tagen mußte irgend etwas geschehen sein, das Sonja zur Änderung ihrer Wünsche veranlaßt hatte. Aber was?
Na ja, dachte Mischa, eigentlich kann es mir ja ganz recht sein. Als Sonja anrief, hatte er den Flirt in St. Tropez schon fast vergessen gehabt angesichts des verführerischen Fluidums von Ellen Sandor. Andererseits … irgendwie war es doch anders. Belog er sich nicht selbst? Da war nicht nur die bloße Erinnerung an blonde Haare und einen jungen weiblichen Körper, an helles Lachen und herrlich ausgelassene Fröhlichkeit. Er sah wieder die großen blauen Augen Sonjas vor sich und spürte ihren Abschiedskuß auf seinen Lippen. Nein, Ellen hatte mit ihrer hemmungslosen Leidenschaft sein tiefes Gefühl für Sonja nur verdrängt. Er mußte das Mädchen von St. Tropez unbedingt wiedersehen.
Noch fünfmal rief er bei Bruckmanns an, und endlich war Sonja selbst am Apparat.
»Sonja, was ist denn?« rief er schnell. »Ich warte hier. Hast du vergessen, daß wir uns heute …«
Klick, machte es. Sonja hatte wortlos aufgelegt.
Wütend schleuderte Mischa den Hörer zurück. »Ziege!« rief er. Doch dann überlegte er, daß dieses Verhalten gar nicht zu Sonja paßte. Ellen Sandor würde vielleicht so reagieren, wild wie eine gereizte Katze – aber Sonja? Es mußte wirklich etwas Außergewöhnliches geschehen sein, wenn sie sich derart ablehnend benahm.
Er setzte sich in der Halle des Clubhauses auf eine Polsterbank und starrte vor sich hin. Der Hausmeister, der zugleich auch Portier, Barkeeper, Kellner und Platzpfleger war, putzte gerade die Theke an der Bar. Morgen sollte ein kleines Fest stattfinden. Konsul Dr. Redderscheidt gab einen Clubabend für die alten Herren.
»Einen Cognac, Herr Heideck?« fragte der Hausmeister.
»Ja. Bring mir einen. Das ist eine gute Idee.«
»Kummer?«
»Ja. Die Weiber …«
»Adam hätte es nie zulassen sollen, daß man ihm eine Rippe klaute, um daraus eine Eva zu machen. Damit hat das große Unglück angefangen.« Der Hausmeister stellte ein gefülltes Glas vor Mischa auf den Tisch.
»Wem sagen Sie das, Franz?!«
»Sie sind aber auch unvorsichtig, Herr Heideck, wenn ich das mal so frei sagen darf. Zum Beispiel gestern …« Der Hausmeister war jetzt gerade dabei, die Zapfhähne am Tresen zu polieren »… da spielen Sie mit Fräulein Sandor einige Partien und belohnen sie mit Küßchen, und draußen steht schon das andere Mädchen und ist stocksauer!«
Mischas Kopf fuhr hoch. »Wer stand draußen?« rief er.
»Na, so ein junges Ding. Sehr hübsch. Blond. Fragte nach Ihnen und Ihrer Tennispartnerin. Und dann lief sie einfach weg.«
»Das ist es!« schrie Mischa. »Das ist es! Die Lösung! Franz, trinken Sie auf meine Kosten zehn Cognacs! Warum haben Sie mir gestern nicht …«
»Die junge Dame wollte nicht, daß ich es Ihnen sage.«
Kopfschüttelnd sah der Hausmeister zu, wie Mischa Heideck aus dem Clubhaus stürmte. Dann heulte draußen ein Sportwagenmotor auf, Reifen wirbelten Sand und Kies auf, ein heller Schatten flog an den Büschen vorbei.
In den weiten Räumen der Kunsthandlung Bruckmann herrschte reges Leben. Bei den Antiquitätenliebhabern hatte es sich herumgesprochen, daß Thomas Bruckmann nicht nur ein altes Schloßinventar aufgekauft, sondern auch eine Sendung wertvoller Meißener Porzellane hereinbekommen hatte – zum Entzücken vor allem für die Damen. Da alle Angestellten im Einsatz waren, ließ es sich nicht vermeiden, daß auch Sonja im Laden bedienen mußte. Als sie Mischa Heideck in das Geschäft kommen sah, wurde ihr schönes Gesicht hart und wirkte fast verkniffen. Den Gruß Mischas beantwortete sie nur mit einem stummen Nicken, und seine ihr hingehaltene Hand übersah sie völlig.
»Der Herr suchen etwas für eine Dame?« fragte sie laut.
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