Die schöne Rivalin
»Vielleicht ein Verlobungsgeschenk? Wie wäre es mit einer Terrakottafigur aus dem neunzehnten Jahrhundert? Südfrankreich, gut erhalten. Motiv: Die lachende Gans. Größe etwa dreiunddreißig Zentimeter.«
»Sonja, was ist los?« sagte Mischa leise und beugte sich vor. »Ich ahne, was passiert ist. Du warst schon gestern am Clubhaus und hast mich mit Ellen Sandor gesehen. Dazu muß ich dir eine Erklärung geben …«
»Also keine lachende Gans?« Sonjas Stimme war hell, kampflustig. »Dann vielleicht ein Bild, der Herr? Ein Bild ist immer ein repräsentatives Geschenk. Ich habe hier ein Gemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert: ›Der lüsterne Pan jagt die Nymphen‹. Sagt das eventuell zu?«
»Sonja, wo können wir uns allein sprechen?« Mischa erkannte sie kaum wieder. Ihre sanften, fröhlichen Augen waren stahlhart, ihre Lippen zuckten. »So geht das doch nicht. Irrtümer muß man aufklären …«
Die Ladenglocke – ein Glöckchenspiel aus Florenz – bimmelte wieder. Sonja sah an Mischa vorbei zur Tür. Ein großer, eleganter, unverschämt gutaussehender Mann hatte die Kunsthandlung betreten. Er lachte Sonja an und neigte grüßend den Kopf.
Ricardo Bombani war auf dem Schlachtfeld erschienen. Beim ersten Angriff setzte er sein umwerfend sonniges Lächeln ein. Eine Frau, die von Bombani angelächelt wurde, war schon halb gewonnen.
Dieser Mann, dachte Sonja blitzschnell, ist eine wunderbare Waffe für mich. Damit kann ich Mischa zur Raserei bringen, wenn er mich wirklich liebt. Also lächelte sie zu Bombani zurück und strich sich kokett durch ihre schöne blonden Haare.
Mischa fuhr herum. Die Blicke Heidecks und Bombanis trafen sich, und sie wußten schon in dieser ersten Sekunde, daß sie sich zutiefst unsympathisch waren.
»Ich suche etwas, Signorina, das Ihnen zu vergleichen ist«, sagte Bombani in einem Deutsch, wie es nur Italiener zu sprechen vermögen. »Was es ist, ich weiß es nicht – wenn es überhaupt irgendeinen Gegenstand gibt, der es mit Ihrer Schönheit aufnehmen kann!«
Mischa kaute an der Unterlippe. Er sah, wie Sonjas Augen wieder zu glühen begannen, wie ihr Gesicht aufblühte, wie ihr Körper unruhig wurde. Das ärgerte ihn maßlos, und so sehr er sich dagegen wehrte – er hatte große Lust, dem auffälligen und eingebildeten Kerl wortlos unters Kinn zu schlagen, komme danach, was wolle. Es war ein verrücktes Zucken in seinen Fäusten.
Sonja atmete tief auf. Sie holte ihrerseits zu einem harten Schlag gegen Mischas Seele aus.
»Ich hätte da zum Beispiel ein Bild aus der Romantik. Ein wunderbares Gemälde. Leda mit dem Schwan …«
»Oh, die Leda!« sagte Bombard mit halber Stimme. Wer ist Leda? dachte er dabei. Und was macht sie mit dem Schwan? »So schön wie Sie, Signorina?«
»Ich weiß nicht. Leda ist nackt …«
»O madonna mia!« Bombani tat einen leisen Schrei. »Wenn man das vergleichen könnte!«
Mischa trat etwas zur Seite. Sein Gesicht war kantig geworden. »Darf ich darauf aufmerksam machen«, sagte er laut, »daß ich zuerst bedient wurde – und ich bin noch nicht fertig!«
»Dann warte ich natürlich.« Bombani blinzelte Sonja zu. »Ich werde mir das mit der nackten Leda überlegen.«
Sonja sah Mischa giftig an. »Sie sind sehr unentschlossen, mein Herr! Ich biete Ihnen den halben Laden an, und Sie sagen jedesmal nein. Wollen Sie vielleicht die Leda? Über dem Brautbett macht sie sich bestimmt gut.«
»So geht das nicht weiter, Sonja!« knirschte Mischa zwischen den Zähnen. Er beugte sich vor, Bombani sollte ihn nicht verstehen. »Ich hole dich heute abend ab. Um neunzehn Uhr stehe ich mit meinem Wagen vor der Tür. Die Sache mit Ellen ist ein Irrtum, glaube mir. Was du gestern gesehen hast …«
»Also keine Leda?« Sonja ging um Mischa herum und stellte sich vor Bombani, der sie bewundernd anstarrte. Als Frauenkenner war er begeistert. Achtzehn Jahre, dachte er – wie sollte es da noch Schwierigkeiten geben. Ich werde sie überrollen mit meinem Charme, mit meiner Erfahrung. »Kommen Sie mit mir«, hörte er sie jetzt sagen, »ich zeige Ihnen die Leda. Sie hängt in einem der hinteren Räume.«
Mischa sah mit zusammengekniffenen Lippen, wie Sonja und der Italiener nach hinten gingen. Sonja wippte in den Hüften – sonst tat sie das nie, aber sie wußte ja, daß Mischa ihr nachstarrte und sich wahnsinnig aufregte.
Das wollen wir doch mal sehen! dachte Mischa, als er allein an der Glastheke stand, unter der auf blauem Samt kleine japanische
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