Die schöne Rivalin
Ladenzeiten überschritten. Das kommt Sie teuer zu stehen.«
»Was soll ich tun? Meine Kunden richten sich nicht nach der Uhr.« Zambatti schwankte. Zum Teufel, dachte er, was wollen die bloß alle mit dem blöden Foto? Was ist das für ein Geheimnis? »Und nun muß meine Zunge begossen werden, Herr Kommissar. Das viele Sprechen macht sie ganz rauh.«
Um das zu beweisen, streckte er weit seine Zunge heraus. Bouchard ließ ihn los und gab ihm einen Stoß, daß er auf seinen Sitz zurücktaumelte. »Also machen wir es anders – aber Sie, Zambatti, werden noch Blut schwitzen, das verspreche ich Ihnen!«
Zambatti glaubte ihm aufs Wort. Er hockte sich in eine Ecke und hatte Angst. Er überlegte, ob er seinen Laden verkaufen und nach Alassio ziehen sollte. Dort konnte man auch gutes Geld an Touristen verdienen. Als Strandfotograf zum Beispiel. Außerdem wäre man in Italien, in der Heimat. O mama mia …
Schon als von der Tür der Kunsthandlung Bruckmann her die Ladenklingel ertönte – das Glöckchenspiel aus Florenz – und Sonja aus dem Hinterzimmer die langen tiefschwarzen Locken sah, die auf die Schultern der eintretenden Person fielen, da wußte sie: Jetzt würde sie alle ihre Kräfte brauchen. Sie blieb so lange im Hinterzimmer, wie es ging, aber das Schicksal war nicht aufzuhalten. Ihr Vater bediente ein Ehepaar, das sich für ein Renaissancebett interessierte, die beiden anderen Verkäufer hatten ebenfalls Kunden zu betreuen. Kein Ausweichen war möglich!
Sie kam aus ihrem Versteck heraus wie eine zu allem entschlossene Löwin, die ihre Jungen gegen einen angreifenden Bären verteidigen muß.
Ellen Sandor, verführerisch schön, in einem fantastischen Kleid, die Augenbrauen etwas hochgezogen, musterte gerade eine chinesische Vase aus der II. Ming-Dynastie, als Sonja um ein Regal herumkam. Die beiden jungen Frauen hatten sich offiziell noch nicht gesehen, aber Ellen Sandor wußte sofort, wer die blonde junge Dame inmitten der wertvollen Altertümer war.
»Echt?« fragte Ellen mit einem maliziösen Lächeln und tippte dabei auf die Vase, die mehr als 5.000 DM kostete.
Sonja erwiderte das unverschämte Lächeln. »Sie meinen, Ihre Haarfarbe? Ich weiß nicht … so ein ebenmäßiges Schwarz gibt es in der Natur gar nicht.«
Die erste Runde geht an mich, dachte sie. Ellen Sandors Augen ziehen sich zusammen. Das hat gesessen, mein Püppchen, nicht wahr? Das tut weh! Soll es auch! Du willst mich ja auch auf die Palme bringen, wozu bist du sonst hier?
Ellen ging weiter durch den Laden, stolz, wiegte sich in den Hüften, schien sich ihrer Schönheit voll bewußt und überlegte, wie sie ihre Rivalin demütigen könnte. Soll ich sie im Laden auf Leitern jagen und mir alte Klamotten aus den oberen Regalen runterholen lassen? Oder soll ich um einen Preis feilschen? Nein, das ist alles zu billig. Ich muß es anders machen. Mit einem gezielten Schuß muß ich mitten in ihr Herz treffen.
»Wo ist Mischa?« fragte sie plötzlich. Sonja zuckte zusammen und sah instinktiv auf eine der vielen Uhren. 16 Uhr. Um 19 Uhr wollte Mischa sie abholen. Noch drei Stunden. Nur drei Stunden. Andererseits: Was kann in drei Stunden alles geschehen.
»Woher soll ich wissen, wo Mischa ist?« sagte sie trocken. »Wieso fragen Sie mich das überhaupt? Wenn Sie ihn suchen: Sie kennen ja alle Plätze, wo er sich aufhalten könnte.«
»Allerdings!«
»Na also! Hier befindet er sich jedenfalls nicht. Er steckt weder in einer Bodenvase noch hockt er in einem alten Bauernschrank. Aber wenn Sie nachsehen wollen …« Sonja öffnete einen bemalten Bauernschrank aus dem 17. Jahrhundert: »Bitte!«
»Werden Sie nicht impertinent!« Ellen Sandor bekam einen roten Kopf. Ihre Nasenflügel zitterten wie bei einem kurz vor dem Start noch zurückgehaltenen Rennpferd. »Ich weiß, daß Sie Mischa erwarten. Heute abend.«
»Kann ich Ihnen etwas verkaufen?« fragte Sonja steif und zog wie zum Schutz die Schultern hoch. Der Blick Ellen Sandors war wie eine Stichwaffe. »Interessieren Sie sich vielleicht für Ausgrabungen? Ich habe einen Schminktopf aus der Zeit der Phönizier hier.«
Ellen Sandor ging auf das Angebot nicht ein. Statt dessen sagte sie betont langsam und beobachtete ihre Gegnerin bei jedem Wort, um die Wirkung genau registrieren zu können: »Er wird heute abend nicht kommen!«
Sonja wurde es eiskalt ums Herz.
»Ach?! Dann wissen Sie aber sehr viel.«
»Mischa kann gar nicht kommen«, fuhr Ellen Sandor fort, und ihre Stimme klang fast
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