Die schöne Teufelin
Nacht nicht besonders unauffällig verhalten, weder vor ihrer Rettung noch danach. Falls Mr Damont sie für wild und vernachlässigt halten sollte, hatte er allen Grund dazu.
Jane strich sich ihre Röcke glatt und wählte den Weg durch den Garten, der nicht an der Ulme vorbeiführte.
Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden flüchtete Ethan vor Lord Maywell. Das Raucherzimmer war voller junger Burschen, die hier waren, um einer der Töchter des Hauses, die allesamt im heiratsfähigen Alter waren, ihre Aufwartung zu machen. Ethan war ganz offensichtlich eingeladen worden, um Seiner Lordschaft am Kartentisch Gesellschaft zu leisten, während die anderen ihre Heiratsabsichten verfolgten.
Sie mögen dich zum Abendessen einladen, aber sie werden nicht wollen, dass du eine ihrer Töchter heiratest.
Es überraschte ihn nicht. So war es seit Menschengedenken. Warum sollte sich etwas ändern?
Ethan schloss die Augen und sog die kalte Nachtluft tief in seine Lunge. Er spielte mit einer Zigarre, aber er zündete sie nicht an. Er rauchte sie nicht so sehr zu seinem eigenen Vergnügen, sondern vielmehr, um damit seine Beute zu verwirren.
Es war niemand hier, vor dem er spielen musste. Niemand außer ein paar Skulpturen und Büschen sah, wie er sich müde mit einer Hand übers Gesicht fuhr. Er war es leid, dieses Spiel … war es leid, charmant zu sein und unnütz.
Dann werde ein Liar, sagte die Stimme in seinem Innern. Mach etwas Sinnvolles.
Ethan schnaubte sein Gewissen an – falls es denn wirklich sein Gewissen war und nicht das erste Anzeichen drohenden Wahnsinns – und entgegnete laut: »Wie kann ich schon von Nutzen sein? Ich bin ein Mann, dem man nicht vertrauen kann.«
Aus dem Garten erklang ein Geräusch, kaum mehr als ein Rascheln, das schnell verstummte, aber es reichte aus, dass ihm etwas in der Dunkelheit ins Auge sprang.
Ethan hatte es zunächst für einen weiteren Busch gehalten, aber tatsächlich stand da eine Frau in einem grünen Kleid, das sich von dem dunkleren Grün des Laubes abhob. Ihr blasses Gesicht leuchtete schwach, als wäre sie nichts als eine weitere Statue unter den vielen, die in diesem urbanen Wäldchen verteilt waren.
Ethan löste sich langsam von der Wand, an der er gelehnt hatte, und behielt die Frau dabei fest im Blick. Es wäre nicht gut, sie aus den Augen zu verlieren – obgleich er sich nicht sicher war, warum das so wichtig war.
Sie unternahm keinen Versuch, vor ihm zu fliehen, als er sich ihr näherte. Während er auf sie zuging, musste Ethan seine Einschätzung, dass sie versuchte, ungesehen zu bleiben, revidieren, denn sie stand einfach nur da. Es war ein Zufall gewesen, ein Spiel der Farben und des Lichts, dass es den Anschein gehabt hatte, sie wäre aus dem Nichts aufgetaucht.
Er verneigte sich galant. »Guten Abend, Madam. Ethan Damont, zu Ihren Diensten.«
Sie knickste mit der gebotenen Höflichkeit, sagte jedoch nichts. Ethan musterte sie genau, konnte sich aber um alles in der Welt nicht daran erinnern, sie je zuvor gesehen zu haben.
6
Die Welt um sie herum schien plötzlich so leise. Selbst die nächtlichen Insekten verstummten, nicht einmal der Flügelschlag einer Motte war zu hören. Das Lachen der Männer wurde leiser, und Jane wurde sich des Schlagens ihres Herzens sehr bewusst.
Ihr Puls raste. Wie dumm. Sie war weder verängstigt noch nervös. Sie zwang sich, ruhig zu atmen, zwang ihren Herzschlag, ihrem Atem zu folgen. Mr Damont stand recht gelassen vor ihr. Er stellte keine Bedrohung dar. Sein Kopf war leicht zur Seite geneigt, als warte er darauf, dass sie etwas sagte. Überraschenderweise schaute er sie an, als erkenne er sie nicht wieder.
War das möglich? Hm, ihre Haare hatten ihr im Gesicht
gehangen … und ihr Rücken war dem schwachen, vom Haus kommenden Lichtschein zugewandt gewesen.
Als sie dessen gewahr wurde, wollte sie plötzlich nichts mehr sagen. Er hatte sie sprechen gehört, und Jane war mehr als einmal gesagt worden, dass sie eine außergewöhnliche Stimme hatte. Im Augenblick wäre es wohl besser, den Mund zu halten – und wahrscheinlich war es sehr interessant, wie ein solcher Mann sich in der derzeitigen Situation verhalten würde. Um ehrlich zu sein, zögerte sie, ihn für sein Verhalten in der vergangenen Nacht zu verurteilen, denn schließlich war sie als Erste unhöflich geworden.
Heute konnten sie noch einmal von vorne anfangen. Was würde er sagen? Wie würde er sich ihr gegenüber verhalten? Bis jetzt
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