Die schöne Teufelin
irgendeiner Form auf ihn zu reagieren. Sie war ein merkwürdiges, schüchternes Wesen.
Das erklärte auch, warum sie sich heute Nacht im Garten versteckt hatte. Und doch machte sie diese Flucht vor ihren Pflichten zu einer Art Rebellin. Ethan gefiel der Gedanke. Ja, er wollte sie belohnen.
Er beugte sich nah an ihr Ohr. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck«, flüsterte er. »Ich bin gleich wieder da.«
Er winkte ihr noch einmal kurz zu, dann war er zurück im Haus. Es dauerte nicht lange, bis er mit zwei Gläsern und einer Flasche Wein, die bereits geöffnet worden war, damit der Wein atmen konnte, wieder auftauchte. Als er wieder auf die Terrasse trat, stand seine neue Freundin am Rand des Rasens, als überlegte sie, sich in Richtung der Büsche davonzumachen. Ethan klemmte sich die Flasche unter den Arm, ging zu ihr hin und reichte ihr die Hand.
»Sie können mich jetzt nicht verlassen«, sagte er lächelnd. »Wenn Sie gehen, muss ich zurück ins Haus.« Er zog ein trauriges Gesicht. »Ein Schicksal, schlimmer als der Tod.«
Sie lachte kurz auf, kaum mehr als ein amüsiertes Atmen, aber Ethan nahm es trotzdem als Ermunterung. Er nahm ihre willenlose Hand und führte sie zurück zur Bank. »Sie und ich«, sagte er, »wir sind im Augenblick die einzigen Menschen auf dieser Erde.«
Sie schaute ihn ungläubig an, hielt ihn für verrückt, so viel
stand fest. »Oh, ich weiß«, sagte er. »Sie halten mich für verrückt, aber sehen Sie es einmal von dieser Warte: Wenn wir die einzigen Menschen auf diesem Planeten sind, dann gibt es niemanden, der uns verdammt oder schlechtmacht. Niemand, dem wir einen Heller schulden, oder einen Gefallen.« Oder ein Haus.
Ethan schüttelte jeglichen Gedanken an die Liars und deren Pakt mit dem Teufel ab. »Ich will nur eine Stunde frei sein«, bat er seine Gefährtin mit einem Lächeln. »Klingt das nicht wunderbar?«
Sie wandte den Blick ab, biss sich leicht auf die Unterlippe. Diese Bewegung ließ Ethan daran denken, dass sie einen recht hübschen Mund hatte – ihre Oberlippe war schön geschwungen, und ihre Unterlippe war voll genug, dass sie als Zeichen geheimer Sinnlichkeit gelten konnte. Das war ja interessant.
Ethan war kein Gentleman, und er war sich auch nicht zu schade, sich von einem hübschen Mädchen einen Kuss zu stehlen. Eine rosa Zungenspitze fuhr über die gebissene Unterlippe.
Nein, wirklich nicht. Er war sich ganz und gar nicht zu schade …
Seine rebellische Gouvernante wandte sich mit herausforderndem Glänzen in den Augen und einem Glas in der Hand zu ihm um.
Ethan grinste. »Recht so.« Er goss ihnen beiden ein paar Fingerbreit Wein ins Glas. »So, und jetzt nur ein wenig daran nippen …«
Als sie rasch das Glas an die Lippen hob, hielt Ethan schnell ihre Hand fest. »Es besteht kein Grund zur Eile«, sagte er sanft. »Es geht darum, der Zeit ein wenig Zeit zu
stehlen. Nippen wir an unseren Gläsern und tun wir so, als gebe es kein Gestern und kein Morgen, als gebe es keine Erwartungen …«
Er hielt inne, als sich ein weicher Film über ihre Pupillen legte. Sie zwinkerte rasch, aber ihr verschreckter Gesichtsausdruck verschlug ihm die Sprache. Er hatte sie nicht aufregen wollen – aber vielleicht waren es nicht seine Worte gewesen, die sie fast in Tränen hätten ausbrechen lassen. Wenn das, was er gesagt hatte, sie so sehr berührte … nun, vielleicht hatten sie noch mehr gemein, als er anfangs gedacht hatte.
Er stellte sein eigenes Glas auf der steinernen Bank ab und nahm ihre Hand mitsamt ihrem Glas in seine beiden. »Nehmen Sie es sich nicht so sehr zu Herzen«, flüsterte er. »Ich weiß, dass es schwierig ist zurechtzukommen, wenn man nirgends wirklich dazugehört. Durch ihre Flure zu gehen und in ihren Zimmern zu wohnen – und für Sie muss es doppelt schwer sein, so dazwischen, weder Diener noch Ebenbürtige …«
Jane vermochte dem süßen Mitleid seiner Stimme, dem warmen Trost seiner Hände um ihre eigene nicht zu widerstehen. Zu ihrem eigenen Entsetzen brach sich eine einzelne, heiße Träne ihre Bahn und rollte ihr über die Wange. Warum? Sie trug keine solche Last! Sie war Lady Jane Pennington, ohne eine einzige Sorge in ihrem Leben!
Und doch hatte sie bis zu diesem Moment nicht wirklich realisiert, wie einsam sie wirklich war. Dazwischen – ja, genau so fühlte sie sich. Es gab nicht viele Frauen, die ihr in Stand oder Vermögen gleichkamen. Ihre eigene Mutter hatte sie manchmal mit einem Blick angesehen, als wisse sie nicht
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